Nicholas' Geheimnis (German Edition)
aufstöhnte.
»Sagt mal, streitet ihr euch eigentlich nie? Wie haltet ihr es nur aus, so friedlich und ausgeglichen zu sein?«
Liz lächelte sie über den Rand ihres Glases hinweg an. »Oh, wir haben auch unsere Momente. Letzte Woche beispielsweise war ich wütend auf Alex, und zwar mindestens … na, eine Viertelstunde lang.«
»Du meinst, ein Gewitter reinigt die Luft?« erkundigte sich Alex.
Melanie schüttelte ihr Haar zurück und lachte. »Ich fühle mich jedenfalls nicht wohl, wenn ich nicht streiten und kämpfen kann.«
»Melanie, du hast Jack überhaupt nicht erwähnt. Habt ihr Probleme?«
»Liz!« tadelte Alex.
»Nein, lass nur, Alex.« Melanie ging mit ihrem Glas an die Reling. »Ein Problem ist es nicht«, sagte sie langsam. »Das hoffe ich zumindest.« Sie blickte geistesabwesend in ihr Glas. »Ich bin diese Straße, diese gerade, ebene Straße so lange entlanggegangen, dass ich den Weg auch blind finden würde.«
Melanie lachte kurz auf, beugte sich über die Reling und ließ ihr Haar im Wind flattern. »Plötzlich merkte ich, dass es gar keine Straße, sondern ein ausgefahrenes Gleis war. Da habe ich schnell den Kurs gewechselt, ehe ich darin festsaß.«
»Du hast ja seit jeher einen Hinderniskurs bevorzugt«, stellte Liz fest. Aber dass Jack den Abschied bekommen hatte, freute sie, und sie verhehlte das auch nicht.
Melanie betrachtete das schäumende Kielwasser am Achtersteven. »Ich werde mich weder Dorian noch irgendeinem anderen Mann zu Füßen werfen, Liz, nur weil ich nicht mehr mit Jack zusammen bin.«
»Das will ich auch nicht hoffen«, gab Liz fröhlich zurück. »Es würde ja der Sache die ganze Spannung nehmen.«
Mit einem strafenden Blick auf die lachende Liz und einem resignierten Seufzer wandte Melanie sich schweigend der Reling zu.
Die felsige Küste von Lesbos erhob sich schroff aus dem Meer. Melanie konnte die Umrisse von Alex’ schneeweißer Villa ausmachen. Etwas höher gelegen entdeckte sie ein mächtiges graues Haus, das aus dem Kliff herauszuwachsen schien, die düstere, efeuumrankte Fassade herausfordernd der offenen See zugerichtet.
Es gab eine Reihe weiß getünchter Häuser unterhalb des Kliffs, auch hier und da ein verstecktes Cottage, aber die beiden Villen überragten alles. Weiß und elegant das eine, düster und bedrohlich das andere Haus.
»Wem gehört das Haus auf dem Kliff?« fragte Melanie über ihre Schulter hinweg.
Liz stand auf und trat lächelnd zu Melanie. »Kann ich mir denken, dass dich das anspricht. Manchmal habe ich den Eindruck, das Ding ist kein Haus, sondern eine lebendige Kreatur. Nicholas Gregoras, Olivenöl und seit kurzem auch Import-Export.« Sie betrachtete ihre Freundin von der Seite her. »Vielleicht werde ich ihn für morgen zum Dinner einladen, falls er Zeit hat. Aber ich fürchte, er ist nicht dein Typ.«
»Mein Typ? Was verstehst du darunter?« fragte Melanie gleichmütig.
»Einen Mann, der es dir nicht leicht macht. Jemand mit einem Hinderniskurs.«
»Hm. Du kennst mich viel zu gut.«
»Nick ist zweifellos charmant, außerdem sieht er blendend aus … Kein ausgesprochen schöner Mann wie Dorian, aber er hat eine ungeheuere Ausstrahlung. Ein gefährlicher Mann, nicht leicht zu durchschauen.« Liz unterbrach sich, weil ihr anscheinend die passenden Worte fehlten, den Mann näher zu beschreiben.
»Nick ist ein Einzelgänger, verschlossen und menschenscheu«, fuhr sie dann fort. »Das Haus auf dem Kliff passt zu ihm. Anfang dreißig ist er. Das Ölimperium hat er vor ungefähr zehn Jahren geerbt. Dann ist er ins Import-Export-Geschäft eingestiegen, mit großem Erfolg übrigens. Alex mag ihn sehr. Die beiden sind ein Herz und eine Seele.«
»Liz, ich wollte nur wissen, wem das Haus gehört. Der Besitzer interessiert mich nicht.«
»Fakten gehören zum Service.« Liz zündete sich eine Zigarette an. »Du sollst deine Wahl nach klaren Vorstellungen treffen können.«
»Einen Ziegenhirten hast du nicht zufällig zur Hand, was?« erkundigte sich Melanie. »Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als in einem niedlichen weißen Cottage zu wohnen und Bauernbrot zu backen.«
»Mal sehen, was sich machen lässt.«
»Auf den Gedanken, ich könnte mich als Single pudelwohl fühlen, bist du wohl noch nie gekommen, wie? Ich kann tun und lassen, was ich will, niemand macht mir Vorschriften. Ich kann mit einem Schraubenzieher umgehen, einen platten Reifen wechseln – wozu brauche ich einen Mann?«
»Du machst dir selbst etwas
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