Nicht die Bohne!
drückt mir eine Tasse Kaffee in die Hand. Ich bin zutiefst dankbar, dass es so etwas wie Kaffee hier gibt. Ob sie eine eigene Öko-Kaffeeplantage betreiben oder Kaffeebohnen auch auf die Liste der Fremderwerbungen gehören? Dann fragt sie mich bestimmt: »Erst Büro oder erst der Hof?«
Ich entscheide mich für meinen zukünftigen Arbeitsplatz, und sie lotst mich die breite Holztreppe hinauf ins obere Stockwerk. Gleich im ersten Raum links steht ein wunderschöner, grob bearbeiteter Holztisch. Daneben ein schlichtes, offenes Regal im gleichen Stil wie der Tisch und darin einige säuberlich beschriftete Ordner. Mein an aktuelle Bürotechnik gewöhntes Auge sucht verzweifelt nach dem Fax-Gerät, dem kombinierten Drucker und Kopierer sowie dem obligatorischen Flachbildschirm mit kabelloser Tastatur und Maus. Stattdessen entdecke ich voller Entsetzen in der hintersten Ecke einen kleinen Computertisch, auf dem ein offensichtlich der Steinzeit entstammendes Gerät in Grau still vor sich hin staubt. Ich kann mir vorstellen, dass irgendein naturhistorisches Museum für solch eine Mumie horrende Summen auf den Tisch legen würde, und hoffe, er wartet dort lediglich auf die Abholung. Vielleicht hat Elena ihn auch so lieb gewonnen, dass sie sich nicht von ihm trennen kann?
Aber nein, Elena macht einen Schritt auf das Gerät zu und drückt einen Knopf so groß wie ein Hühnerei, was das Ding veranlasst, wilde und gefährlich klingende Geräusche von sich zu geben. Erschrocken zucke ich zusammen und mache mich fluchtbereit. Vielleicht geht das Teil gleich in die Luft? Ich habe ein ungeborenes Leben zu schützen!
Unbeeindruckt von meiner Panikattacke zuppelt Elena an einem Kabel herum und blickt mich dann entschuldigend über die Schulter hinweg an. »Ist nicht mehr die neuste Technik.«
Nö, war schon vor meiner Geburt nicht mehr die neuste Technik. Das Gerät knattert. Ich habe noch NIE in meinem Leben einen Computer knattern gehört. Zeitgleich ruft Elena hocherfreut und mit Stolz in der Stimme: »Hier kannst du schreiben!«
Und mit was?, frage ich mich. Word 1977?
»Die ganzen Steuer- und Buchhaltungssachen stehen im Schrank.« Sie lässt das Urzeitmonster ganz alleine vor sich hin knattern und geht zum Regal. Ich folge ihr und strecke mit fragendem Blick die Hand aus. »Natürlich! Gehört alles dir!«
Ich blättere durch einige Akten und bin beeindruckt. Alles ist ordentlich, sehr übersichtlich und vor allen Dingen handschriftlich verfasst. Ich fühle mich tatsächlich ins Jahr 1977 katapultiert.
»Sieht alles gut aus. Du hast das hier voll im Griff«, sage ich anerkennend, und sie lacht.
»Ich hasse es, Paula. Abgrundtief. Aber wenn ich es den anderen überlasse, versinken wir im Chaos.« Dann senkt sie verschwörerisch die Stimme. »Kannst du mit dem umgehen?« Ihr Kopf zuckt zum Mammut unter den Computern, und jetzt muss ich lachen.
»Ganz ehrlich? Nein. Der war schon alt, da war ich noch nicht einmal auf der Welt.«
»Oh«, sagt Elena ehrfürchtig.
»Ich bringe meinen Laptop mit. Und einen Drucker habe ich auch zu Hause. Womit schreibst du denn deine Briefe?«
»Äh, meistens mit der Hand. Und manchmal auch mit der Schreibmaschine, aber das dauert zu lange.«
»Okay. Ich werde mir das alles hier erst mal in Ruhe ansehen. Danach können wir einen Plan machen, was ihr euch vorstellt. Was für Produkte ihr konkret anbietet und all diese Dinge.«
Doch vorher brechen wir noch zu unserem Hofrundgang auf. Im wahrsten Sinne des Wortes. Wir statten uns aus, als würden wir auf eine mehrere Tage dauernde Wanderung gehen. Sogar eine Wasserflasche klemmt Elena sich unter den Arm. Ich bekomme grellgelbe Gummistiefel geliehen, die ganz leicht nach Schweißfuß müffeln, einen zweiten Schal um den Hals gewickelt, und im Vorbeigehen steckt Elena noch drei hart gekochte Eier in ihre Jackentasche. Wow, das scheint wohl wirklich eine etwas längere Tour zu werden. Dankbar denke ich an das GPS -fähige Handy in meiner Tasche. Wenn wir uns in der Wildnis verirren, kann ich immerhin noch einen Notruf absetzen und hoffen, dass man uns findet.
Die Küche hat einen direkten Zugang zum Garten hinter dem Haus. Typhus und Herpes warten dort schon freudig erregt und umkreisen uns in gespannter Erwartung. Leise raune ich ihnen zu: »Wir machen eine Expedition. Kommt mit!« Angeblich sollen Hunde ja eine gute Nase haben, vielleicht sind die beiden aufgrund dieser Tatsache noch nützlicher als mein GPS -Handy. Ob sie mich verstanden
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