Nicht die Bohne!
haben, weiß ich nicht, jedenfalls folgen sie uns.
Wir laufen durch den schön angelegten Bauerngarten. Die Beete sind zwar zum großen Teil leer, aber immer wieder gibt es Reste von Stauden, die mit weißem Raureif überzogen sind. Es sieht fast schon märchenhaft schön aus, und plötzlich gelingt es der Sonne, sich einen Weg durch die Januarwolken zu bahnen und ein paar Strahlen zu uns hinab auf die Erde zu senden. Wir folgen einem mit Rindenmulch angelegten Pfad bis zu einem Spalier aus hohen Pappeln. Dort biegen wir in einen Schotterweg ein, der rechts und links von Wiesen gesäumt ist.
Im Laufen dreht Elena sich zu mir um. Sie lacht, sagt aber nichts. Ich lache zurück. In ihrem Gesicht stehen Stolz und Freude. Das hier ist ihr Werk, das Ergebnis harter Arbeit von ihr und ihren Mitstreitern. Ich kann verstehen, dass sie stolz ist und sich freut, mir all dies zeigen zu können. Der Raureif glitzert auf den Grashalmen wie Silber. Die Luft ist kalt und kristallklar, und es ist ganz still.
Schweigend laufen wir weiter, durchqueren einen kleinen Wald und bleiben kurz an einem glucksenden und stellenweise zugefrorenen Bach stehen. Ich bin froh, hier zu sein. Das erste Mal seit Wochen fühle ich mich frei. Ein ganz zartes Glücksgefühl durchflutet mich, und ich glaube, Elena kann mir das ansehen. Das meine ich an dem Glitzern in ihren Augen zu erkennen.
Wir schweigen einfach weiter, während wir in einem weiteren Bogen über brachliegende Äcker laufen und schließlich wieder am Hof ankommen. Nur diesmal von der anderen Seite. Vor uns befindet sich eine Scheune, und Elena öffnet schwungvoll das hohe Schiebetor. Sofort schlägt mir der heimelige Geruch nach Stall entgegen. Wärme, ein bisschen Tierpipi und Stroh. Ich sauge den Duft tief in meine Lungen und betrete das große Gebäude. Links und rechts gibt es einzelne Holzverschläge. Einige interessierte Ziegen recken ihre Köpfe über die Holztüren und begrüßen uns mit einem standesgemäßen »Mähhh!«. Ich bin versucht zu antworten, aber Elena kommt mir zuvor. Ich muss breit grinsen. Mähende Frauen sollten mir doch eigentlich suspekt sein, stattdessen flüstere auch ich ein »Mähhhh!« in Richtung der neugierigen Ziegen.
Elena lässt sich einfach in einen Strohhaufen fallen, der in der Mitte der Scheune aufgeschichtet ist. Dann zieht sie die hart gekochten Eier hervor und fängt an, sie zu pellen. »Das waren unsere Äcker. Ist natürlich nicht viel los jetzt im Januar. Und das hier ist Harrys Reich.« Mit diesen Worten reicht sie mir ein blankes Ei und steckt sich das andere komplett in den Mund. Ich mache es ihr nach, und das olle Ei schmeckt vorzüglich.
Als sie fertig gekaut hat, sagt sie: »Harry müsste hier auch irgendwo sein.« Wie aufs Stichwort schlurft im selben Moment der Mann ohne Worte mit der Igelfrisur durch das große Scheunentor herein. Er sieht sehr traurig aus. Kommentarlos hält Elena auch ihm ein frisch gepelltes Ei hin, und er steckt es in den Mund. Mit vollen Backen kaut er, dann setzt er sich zu uns in das Stroh.
»Hast du es hinter dich gebracht?«, fragt Elena, und Harry nickt traurig.
»Im Winter ist eine gute Zeit, um Kaninchen zu schlachten«, informiert Harry mich. Keine Sekunde zu spät, er hat nämlich Blutflecken an den Händen und auch ein paar auf seiner Kleidung. Harry wirkt zwar, als könnte er keiner Fliege was zuleide tun, aber blutige Hände verleihen sogar den sanftmütigsten Menschen eine leicht beunruhigende Ausstrahlung.
»Ich tue das nicht so gerne«, erklärt er in diesem Moment und blickt sehr bekümmert drein. »Es macht mich so traurig. Aber es muss sein. Und besser hier als in einem von diesen Massenvernichtungslagern.« Er blinkert mit den Augen, und ich tätschle ihm etwas unbeholfen seine knochige Schulter.
»Ich muss dann mal weiter.« Äußerst geschickt kommt er wieder auf die Beine und verlässt mit dem gleichen schlurfenden Gang die Scheune.
»Er braucht immer ein wenig emotionale Zuwendung, wenn er schlachtet. Und ein Ei.« Elena sieht mich an, und in ihrem Mundwinkel zuckt es ganz leicht. Mein Mundwinkel ist ein Nachmacher, nur dass er übertreibt. Ich grinse nämlich. Worauf Elena mit einem Lachen reagiert. Diese Frau lacht sowieso viel.
»Gehen wir weiter?« Ich nicke, und gemeinsam verlassen wir die Scheune, diesmal durch den Vordereingang, der auf den kopfsteingepflasterten Hof führt. Neben uns unter dem großen Dachüberstand der Scheune steht ein alter Trecker. Er ist signalrot
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