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Nicht die Bohne!

Nicht die Bohne!

Titel: Nicht die Bohne! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristina Steffan
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Das Essen wird kalt, sein Rotwein bleibt vorerst ungeöffnet und die E-Stoff-verseuchte Süßspeise unberührt.
    Simon ist wie ein Ballon, in den jemand ein kleines Loch gestochen hat und aus dem die Luft nun stetig und unaufhaltsam entweicht. Er spricht und hört nicht wieder auf. Mein Part beschränkt sich erst mal darauf, kleine zustimmende Laute von mir zu geben. Wir befinden uns in der Akutphase eines emotionalen Dammbruchs.
    Als er eine Stunde später fertig ist, frage ich ihn: »Hast du das alles schon mal jemandem erzählt?«
    Er schüttelt den Kopf. »Nicht so komplett. Nein. Aber ich glaube, wenn das mit uns beiden funktionieren soll, musst du alles wissen. Um dir zu überlegen, ob du das wirklich willst«, fügt er leise hinzu.
    Das sagt er allen Ernstes zu mir? Als gäbe es, was mich betrifft, keinen Anlass für derartige Überlegungen …
    »Äh … dir ist schon klar, dass ich schwanger bin?«, werfe ich daher vorsichtig ein. »Vielleicht solltest eher du dich fragen, ob du das willst?« Ich deute mit einer Hand auf den Bohnenbauch. Bei der Gelegenheit entdecke ich eine abtrünnige Zwiebel, die es sich knapp über dem Bauchnabel gemütlich gemacht hat, und entsorge sie mit einem Fingerschnippen. Seit der zwanzigsten Woche trotzt alles, was sich von meiner oberen Körperhälfte ausgehend abwärts bewegt, sehr erfolgreich der Schwerkraft. Jeder Krümel wird von meinem Bauch aufgefangen. Wenn das so weitergeht, kann ich bald Kaffeetassen darauf abstellen.
    Simon beobachtet mich bei meiner Bauchreinigungsaktion und schweigt. Er macht mich ganz nervös. »Paula«, spricht er endlich. »Ich kenne dich seit drei Monaten. Du bist der freiste und eigenständigste Mensch, den ich kenne. Ich … ich kann mir mein Leben ohne dich gar nicht mehr vorstellen. Und dich gibt es nur mit der Bohne. Wenn du entscheidest, dass ich gut genug für die Bohne bin, bin ich dabei.«
    Goodbye, du schöne Selbstbeherrschung. Schlagartig schießen mir die Tränen in die Augen. »Paula«, holt Simons tiefe Stimme mich zurück in die Realität. »Willst du denn mit einem behinderten Mann zusammen sein?«
    »Was?«, japse ich und wische mir die Nase am Ärmel meines Pullovers ab. »Ja, ich will«, antworte ich dann schnell, und Simon verdreht in gespielter Verzweiflung die Augen.
    »Du erkennst den Ernst der Lage nicht«, murmelt er leise, aber sein Gesicht ist trotz dieser düsteren Worte nicht mehr so angespannt. Ich lehne mich auf meinem Stuhl zurück, verschränke die Hände vor dem Bohnenbauch und sage schniefend: »Simon. Ich bin die Herrin der ernsten Lagen.«

Kapitel 26
    Aufgrund der ernsten Lage ist uns auch irgendwie nicht nach Essen. Eine Weile starren wir noch die halb gegessene Pizza an, bis wir beschließen, dass ein Ortswechsel der allgemeinen Stimmung guttun würde. Aus Ermangelung eines Sofas in Simons Wohnung verziehen wir uns also auf das Bett. Dort hocken wir schweigend einige Sekunden nebeneinander, bis Simon sich zu mir dreht und sanft meine Wange berührt. Ich spüre, dass seine Hand ein wenig zittert, und sehe deutlich den rasenden Puls an seinem Hals. Er flattert wie ein besoffener Kolibri, und kurzerhand beschließe ich, die Initiative zu übernehmen.
    »Vielleicht sollten wir erst mal da weitermachen, wo wir gestern aufgehört haben«, schlage ich vor. Ich stehe auf, betätige sämtliche auffindbaren Lichtschalter in dem großen Raum und überlasse es den drei Kerzen auf dem Esstisch, die Szenerie in freundliches Licht zu tauchen. Dann setze ich mich wieder aufs Bett und berühre sanft Simons Hand.
    Er wendet den Kopf und sieht mich an. »Du bist das sonderbarste Wesen, das mir je über den Weg gelaufen ist.« Die Atmosphäre ist zwar noch nicht völlig entspannt, scheint aber Fortschritte in diese Richtung zu machen. Im nächsten Moment legt der große blonde Mann den Arm um mich und sagt: »Ich kann nicht auf Leitern klettern.«
    Ich presse mein Gesicht gegen seinen Hals und atme seinen würzigen Duft ein. »Theoretisch sollte ich es können«, fügt er noch hinzu.
    »Das ist jetzt schlecht«, murmle ich und rutsche noch näher an ihn heran, womit ich ihm fast auf den Schoß klettere. »Weil auch ich theoretisch auf Leitern klettern können sollte. Kann ich aber nicht. Man könnte schließlich runterfallen. Zum Glück finde ich Deckenleuchten eh total spießig.« Ein minimales Zucken bewegt den mir zugewandten Teil seines Mundes. »Gut, dann sind wir uns also einig, dass wir jemanden dafür bezahlen

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