Nicht ganz schlechte Menschen
verletzt, leisteten kaum Widerstand. Es war
von Schlüsseln die Rede.
Karl wandte sich an Zanoussi. Was ist da los? Zanoussi schüttelte
mürrisch den Kopf. Eine Handgranate wanderte von seiner linken Faust in die
rechte und zurück. Der Anlaß mußte von einiger Wichtigkeit sein. Der Kapitän
protestierte heftig. Wogegen genau? Aber egal, die Dinge lagen nunmal so und
so. Angél und der Kapitän, und
Angéls Pistole bohrte sich dabei in den Nacken des Kapitäns, schritten voran,
hinab ins Schiffsinnere. Angél gab einen Befehl. Ein Schlüsselbund kam ins
Spiel. Und Türen taten sich auf. Verschlossene Türen, aus denen Menschen in
schmutziger Kleidung taumelten.
Rache
für Bajadoz!
Brüllte Angél Ruiz, dessen Spitzname Luzbel war, zu deutsch
Luzifer. Er schob die Mündung seiner Pistole einem älteren weißhaarigen Herrn
ins rechte Nasenloch und drückte ab. Gehirnmasse spritzte an die Wand. Und ein
eben noch mit diffuser Hoffnung gefüllter, nun lebloser Körper fiel zu Boden.
Karl hatte Mühe, sich nicht zu übergeben. Der Kapitän, ein stolzer Teniente der
regulären Streitkräfte, schien mit dem, was vorging, nicht einverstanden, das
war klar ersichtlich. Zanoussi zündete seine Handgranate und warf sie in die
nächste Zelle. Alle wichen zurück. Die Detonation hinterließ enormen Eindruck,
viele hielten sich die Ohren zu. Karl war zu unerfahren, ihm platzte beinahe
das Trommelfell, und beim Anblick dessen, was in der Zelle übrig war, konnte er
seinen Brechreiz nicht mehr kontrollieren, übergab sich auf Leichenteile, was
Gott sei Dank nicht weiter auffiel, die Meute war zu sehr damit beschäftigt,
erstens die Wachmannschaft in Schach zu halten, zweitens die Insassen des
republikanischen Gefängnisschiffes Uruguay zu liquidieren. Unschuldsbekundungen
ließ man nicht gelten, Ausnahmen wurden nicht gemacht. Eine der beteiligten
Frauen tat sich besonders hervor, indem sie laut lachte und ab und an das Wort Gerechtigkeit skandierte. Manche der Gefangenen rannten, sobald sich ihre Zelle geöffnet
hatte, blindlings in die Menschenmenge, und man mußte sie zum Stolpern bringen,
um sie dann, ohne Gefahr für die eigenen Leute, mit Kugeln vollzupumpen. Nach
dem Blutbad befahl Angél Ruiz den Rückzug. Und er klopfte dem Teniente zum
Abschied auf die Schulter, wie um sich dafür zu entschuldigen, daß er eine
solche Sauerei hinterlassen hatte, die ja nun irgendwer aufwischen mußte.
Zanoussi, in Geberlaune, bot dem kreidebleichen Karl einen Schluck Schnaps aus
seinem Flachmann an. Karl schüttelte den Kopf. Zanoussi fragte noch, in vollem
Ernst, als sie bereits nebeneinander im Boot saßen, ob und wie Karl über die
Aktion berichten würde. Der gab keine Antwort.
Du findest es grausam, was wir getan haben, nicht wahr?
Karl gab wiederum keine Antwort.
Sieh es mal so: Eine Vergeltung war notwendig. Woher passende Opfer
nehmen? In Barcelona. Wären wir durch die Straßen gezogen, hätte es Unschuldige
treffen können. Auf diesem Schiff aber waren alle schuldig. Und selbst wenn im
Einzelfall nicht, so wurde ihrem Leiden ein schnelles Ende bereitet. Und die
Revolution hat Lebensmittel gespart. Schreibst du etwas Nettes über uns?
Karl nickte. Aus Angst. Kaum hatten die Boote am Kai angelegt, lief
er, so schnell es seine zitternden Knie zuließen, davon, ohne sich von
irgendwem zu verabschieden. Angél Ruiz fand, während er sich mit Zanoussi und
einigen anderen in einer Taverne betrank und die Aktion nachbesprach, daß
dieser komische Kerl, der angebliche Journalist, eine doch recht fragwürdige
Figur abgegeben habe.
Laß mal, meinte Zanoussi. Mit zwei Worten wurde ein Leben verschont.
Die Runde wandte sich anderen Themen zu.
Max traf sich wieder mit Raymond. Er habe, teilte er dem
trist und schlaff wirkenden Adligen mit, ein Quartier aufgetrieben, das man
über einen separaten Eingang diskret betreten könne, ohne sich eintragen zu
müssen. Das Zimmer mit relativ gutem Komfort koste hundertzwanzig Francs pro
Tag und sei für Raymond gut und schnell erreichbar. Die Miene des korpulent
gewordenen älteren Herrn hellte sich merklich auf. Das sei aber kein Bordell
oder Stundenhotel, fragte er, denn mit den Betreibern eines solchen wolle er
nichts zu tun haben. Nein, versicherte Max, es handle sich um einen ehrenwerten,
seriösen Betrieb.
Wie seriös ein Betrieb sein kann, der sich auf solche Geschäfte
einläßt, gab Raymond zu bedenken. Bitte, sagte Max, wenn du nicht willst.
Sicher doch. Ich vertraue dir.
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