Nicht gekauft hat er schon
Tag vier Kundentermine. Er führt jeden Tag durchschnittlich 20 Kundentelefonate. Er hat im Schnitt wenigstens zehn, fünfzehn Jahre Verkaufserfahrung. Er ist in einer Hierarchie nur schwer zu führen, denn er sieht sich als die kleinste Nummer: die Nummer eins. Ob er es in Wirklichkeit ist? Egal. Programmiert darauf ist er jedenfalls.
Jeder Spitzenverkäufer hat einen anderen individuellen Ansatz im Verkaufsablauf. Sei es Softselling, Hardselling, neues Hardselling – ganz einerlei, auf Patentrezepte kommt es nicht an. Allen gemeinsam ist: Sie haben eine durchdachte, geübte, erprobte Struktur, mit der sie durch das Verkaufsgespräch gehen, um am Ende den Auftrag einzutüten. Keiner dieser Ansätze muss einer Norm entsprechen. Im Klartext: Ich will gar nicht, dass Sie genauso verkaufen wie ich. Sondern dass Sie so verkaufen, dass Sie das beste Ergebnis erzielen – und sich dabei wohl in Ihrer Haut fühlen.
In den letzten 3.500 Jahren haben sich die Kundeneinwände nicht geändert. Sie werden sich auch in der nächsten Zukunft nicht ändern. Ein Top-Verkäufer kennt alle diese Einwände: Keine Zeit, kein Interesse, haben bereits festen Verkäufer, zu teuer, jetzt schon zufrieden, haben gerade neuen Vertrag abgeschlossen – immer das Gleiche.
Nicht nur das. Er kennt auch die Antworten darauf. Innerhalb einer Nanosekunde hat er entschieden, welche Methode er für das Verkaufsgespräch einsetzen muss, um zum Erfolg zu kommen.
Er lebt damit, auch mal den falschen Ton getroffen zu haben. Er geht immer etwas weiter und mit mehr Druck vor als der Durchschnittsverkäufer. In der Gesamtsumme aller Geschäfte werden meiner Einschätzung nach mehr Abschlüsse vergeigt, verquasselt und verlabert als zum Abschluss gebracht. Selbst dann noch wird auf den Kunden eingequatscht, wenn der sich innerlich schon von dem Geschäft verabschiedet hat. Oder noch schlimmer: Auch dann noch, wenn der Kunde sich eigentlich schon für das Geschäft entschieden hat – um es dann doch noch sein zu lassen, weil der Verkäufer vor lauter Heißluftproduktion den Abschluss verpasst.
Top-Verkäufer sind keine Fremdenführer für den Kunden. Keine Betreuer. Keine Moderatoren. Keine Pfleger. Sie bilden den Kunden nicht am Produkt aus. Trichtern ihm keine auswendig gelernten Bedienungsanleitungen ein. Sind keine Wissensvermittler. Keine Informationsanästhesisten. Lassen keine Technoduschen ab und keinen Faktenregen niedergehen. Verabreichen keine Produktmerkmalmassagen.
Stattdessen nutzen sie ihre Zeit. Während andere schon vor der Glotze sitzen und »Gute Zeiten, schlechte Zeiten« gucken, sind sie noch bei der Arbeit. Sie alle sind bereit, Extrameilen für den Kunden zu gehen. Sie alle tun mehr als von ihnen verlangt wird. Sind fleißig, fleißig, fleißig, auch wenn das sehr deutsch klingt. Sie alle sind lernbegierig wie Erstklässler. Sie suchen nach DEM entscheidenden Satz im Verkaufsgespräch, die eierlegende Wollmilchsau. Obwohl: Gibt es die überhaupt?
Keiner von ihnen jammert.
Jeder Top-Verkäufer hat auch ein gutes Selbstwertgefühl. Keiner von ihnen jammert! Nicht nur das: der Top-Verkäufer kann das Gejammere des Durchschnittsverkäufers nicht ertragen. Ihm wird davon schlecht.
Sie sind immer gut vorbereitet. Sie sind immer gut angezogen – passend zur Branche, selbstverständlich. Gute Uhr, edles Schreibgerät, guter Anzug, gutes Hemd, super Krawatte, makellose Schuhe. Sie sind immer hungrig. Erfolgshungrig. Wer lamentiert, dass Kokosnüsse eine harte Schale haben, der hat noch nie Hunger gehabt. Steve Jobs hatte völlig recht, als er 2005 an der Stanford University bei der Abschluss-Zeremonie seinen berühmten Gänsehaut-Vortrag hielt und am Ende sich von den Absolventen wünschte: »Stay hungry. Stay foolish.«
Der Grund, warum die eine Frage nicht gestellt wird
Woran erkennen Sie den »nur« guten oder mittelmäßigen Verkäufer? An der Kleinheit seiner Selbstzweifel und an der Größe seiner Zweifel an allem und jedem um ihn herum. Er sieht den Kunden ausschließlich als Mittel zum Zweck. Sucht die Schuld immer woanders: Beim Produkt, das er verkauft. Bei der Firma, für die er arbeitet. Bei seinem stressigen Job, bei seinem Firmenwagen. Und am Ende auch bei seinen Kunden. Was er allerdings nicht bemerkt: Er ist Mittelmaß in seinem Job, und für seinen Misserfolg ist keiner verantwortlich außer er selbst.
Mittelmaß sieht Fortbildung als Bestrafung.
Mittelmaß kommt Punkt neun zur Arbeit und geht Punkt fünf wieder.
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