Nicht gekauft hat er schon
wildfremde Amerikaner Beifall. Stell dir das in Deutschland vor: Da müsstest du ja, wenn du da rauskommst, um deine Gesundheit fürchten.
Aber, täusch dich nicht. Ich liebe Deutschland! Hier ist nämlich auch noch was ganz anderes möglich, auch wenn es vermutlich leider seltener wird: Es war noch am Anfang meiner Karriere, als ich abends einen Kundentermin in einem großen Hotel hatte. Ich war Ende zwanzig und wollte einen Kunden akquirieren, der beinahe doppelt so alt war. Obwohl gut vorbereitet, marschierte ich etwas aufgeregt durch das komplett ausgebuchte Hotel. Dass da gerade die Jahrestagung der Siemens-Betriebsräte tobte, machte mich nicht unbedingt ruhiger: Ich hatte noch nie eine so große Ansammlung grauer Herren gesehen und hatte die Befürchtung, dass auch mein Kunde so eine schlecht gelaunte, stieselige Spaßbremse wäre.
Wie gelernt, wollte ich jetzt eine Unterschrift.
Und dann? Dann lief es wie am Schnürchen. Der Mann war auf Draht. Hochkonzentriert. Schnell. Präzise. Der Abschluss schwebte schon im Raum, ich fackelte nicht lange und packte ihn, legte ihn auf den Tisch. Ihre Unterschrift, bitte. Es war ein Erstauftrag und ich wollte einen sauberen Abschluss machen. Meine Ausbilder hatten mir eingeschärft, dass bei Abschlüssen nichts, aber auch gar nichts ohne Unterschrift ging. Das hat ja auch seinen guten Grund. Also, Herr Kunde, Ihre Unterschrift bitte. – Ich werde mein Leben lang nicht vergessen, was dann passierte.
Der Mann stand auf, musterte mich mit einem scharfen Blick und … schwieg. Dann streckte er mir seine Hand entgegen und sagte mit tiefer, ernster Stimme: »Ich bin Kaufmann. Mein Wort zählt!«
Ups! Darauf hatte mich niemand vorbereitet. Was sollte ich in so einem Fall denn jetzt bloß machen? Mein Instinkt sagte mir: Wenn du jetzt auf der Unterschrift bestehst, ist der Kunde weg, Auftrag weg, alles umsonst. Ich stand auf, schlug ein und sagte, genauso feierlich: »Auch mein Wort zählt!«
Und was soll ich sagen? Wir haben jahrelang zusammengearbeitet – und es gab nie eine Unterschrift. Es gab nie auch nur das kleinste Problem. Er zahlte immer korrekt und pünktlich, hielt jeden Termin ein und hielt sich an jede noch so kleine Vereinbarung. Ein absoluter Top-Kunde. Nur eben keiner, der gerne mit dem Füller arbeitet. Eine Geschäftsethik, hanseatische Kaufmannstugenden, von denen ein Verkäufer träumt, wenn er nachts sorgenfrei einschläft. Ein Highlight meiner Karriere. Und eben auch typisch deutsch.
Schon wieder: Täusch dich aber nicht, Sportsfreund! Der Alltag sieht anders aus. Im Allgemeinen gilt: Viel zu viele Leute glauben, das Geschäftsleben sei ein Boxring und die Bandagen müssten dementsprechend hart geschnürt werden. Jeder Verkäufer muss jederzeit damit rechnen, dass er es in der Masse nicht mit hanseatischen Kaufleuten zu tun hat, sondern mit dem anderen Extrem: mit Unaufrichtigen, Herumlavierern, Feilschern, Schlechtrednern, Tricksern, Unverbindlichen, Schwätzern, Täuschern, Betrügern.
Ja ja, nicht dauernd, aber es kommt immer wieder vor, du musst damit rechnen. Und dann richtig reagieren. Auch ich treffe immer wieder auf solche Leute. Wie vor Kurzem bei diesem Softwareunternehmer aus einer süddeutschen Großstadt. Der Auftrag war ganz regulär abgeschlossen worden. Einzige Ausnahme: Ich hatte, ganz gegen meine Gepflogenheit, akzeptiert, den beiden Entscheidern bei der Bezahlung entgegenzukommen: Die Hälfte meines Honorars vor dem Coaching, die zweite Hälfte danach. Dummer Fehler!
Je mehr es ums Überleben geht, desto härter die Bandagen.
Die beiden Entscheider sprachen in der Folge mit völlig unterschiedlichen Zungen. Der eine wollte beim Training den Schwerpunkt Akquise, der andere den Schwerpunkt Vertragsabschluss. Die beiden wirkten dann auch im Coaching dementsprechend unstrukturiert und wir gingen nach der ersten Einheit mit einem komischen Gefühl im Bauch auseinander. Irgendwie stimmte die Chemie zwischen uns nicht, und ich konnte einfach nicht orten, woran es gelegen hat. Auch deren Feedback konnte nichts erhellen.
Später, nach meinem routinemäßigen Telefonat zum Nacharbeiten, fanden wir etwas, das wir beim nächsten Termin noch einmal stärker herausarbeiten wollten, um nachzubessern. Die ersten Trainings waren nun seit zwei Monaten vorbei, von der zweiten Hälfte des Honorars war nichts zu sehen. Und sie wollten Nachbesserung. Mein Standpunkt war klar: Nachbesserung gerne – aber zuerst den Vertrag einhalten und bezahlen.
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