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Nicht gekauft hat er schon

Nicht gekauft hat er schon

Titel: Nicht gekauft hat er schon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Limbeck
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ich kaufen.
    Ich war unglaublich gespannt, was er nun tun würde.
    Er packte diesen erstaunlichen, riesigen Koffer aus, in dem das edle Gerät lag. Nein, er packte es nicht aus, er zelebrierte das Freilegen des Wunders. Jede Bewegung saß. Ehrfürchtige Stille breitete sich aus, wir saßen staunend da und beobachteten die geschickten Hände des Meisters.
    Jetzt begann ich ihn schon mal ein wenig zu testen. Wie er wohl mit Einwänden zurechtkam? »Wissen Sie, wir haben eigentlich gar keine Teppichböden. Wie haben hier nur Granit und Holz und ansonsten nur zwei Teppiche im Wohnzimmer.«
    Er umschiffte brillant die erste Klippe: »Das macht gar nichts. Wir haben genau das Richtige für Sie. Denn das ist nicht einfach nur ein Staubsauger.« Pause. »Das ist ein universelles Reinigungssystem.« Pause. »Für jeden Boden.«
    Das ist kein Staubsauger, sondern ein universelles Reinigungssystem.
    Schluck! Dann kam die eigentliche Produktpräsentation. Er öffnete den Koffer und setzte das Objekt der Begierde mit einer Eleganz und Präzision zusammen, dass ich es schon deshalb am liebsten gekauft hätte. Es schien mir fast, als könnte ich zusehen, wie jemand einen Rubik-Würfel innerhalb von 30 Sekunden in die richtige Ordnung dreht.
    Dann kam seine erste Frage. Sehr gut. Er fragte, er dozierte nicht! Er zeigte auf den Teppich im Wohnzimmer und fragte: »Wann haben Sie denn den das letzte Mal gesaugt?«
    Eine ausgezeichnete Frage. Denn selbst wenn du der schlimmste Messi wärst – du würdest doch nie im Leben zugeben, dass das schon Wochen her war, oder? Sie würden dann was antworten? »Vorgestern!« Genau!
    Der Vertreter zuckte nicht mit der Wimper. Er stellte unsere Stühle behutsam zur Seite und begann zu saugen. Nach ein paar Sekunden schaltete er ab und öffnete die Kammer des Reinigungssystems. Und was war drin? – Staub. Viel Staub. Ein Berg von Staub.
    Und du Kunde, was machst du? Du schämst dich. Du schämst dich unendlich, weil du ja erst vor zwei Tagen gesaugt hattest und trotzdem liegt da in der Hand des netten Staubsaugervertreters ein Berg von Staub. Peinlich berührt willst du den Staub gleich entsorgen. Aber er bremst dich: »Nein, nein, Herr Limbeck. Lassen Sie es liegen, ich mache das.«
    Nachdem er den ersten Haufen beseitigt hatte, folgte der nächste Streich. Denn der Mann hatte ein weiteres As im Ärmel: Er steckte eine andere Bürste auf und ging zu unserer Couch. Sie war mit Mikrofasergewebe bezogen, und ich dachte immer, dass dort noch nicht mal heiße Spaghettisoße darauf haften bleibt. Denkste. Er saugte nur einige Sekunden. Dann öffnete er wieder gnadenlos die Kammer und mir schwante Böses: Staub. Viel Staub. Ein neuer Berg von Staub. Tatsächlich.
    Ist das peinlich? Du willst die Namen der Milben und Mikroben gar nicht wissen, die sich auf der Couch tummeln, auf der du heute Morgen in der Unterhose gesessen hast!
    Bisher hatte der Verkäufer alles richtig gemacht, auch unter meinem kritischen Blick. Ich war tatsächlich drauf und dran das Ding zu kaufen. Eigentlich wollte ich gerne noch ein wenig von der guten Präsentation miterleben, als mich die Frau an meiner Seite rechts überholte: »Und was kostet der?«
    »Zwölfhundert Euro.«
    »Ganz schön teuer.«
    So, Zielgerade. Ein paar Sekunden vom Abschluss entfernt. Der Verkäufer war an der letzten Hürde. Würde er es jetzt, auf den letzten Metern noch vermasseln? Nur noch der übliche Einwand beim Preis. Jetzt müsste er nur noch eine saubere Preisargumentation aus dem Hut zaubern. Davon müsste er ungefähr zwanzig parat haben. Standard würde jetzt vollauf genügen. Etwas Kreatives wäre hier gar nicht nötig. Einfach nur etwas Lässiges wie: »Das ist er auch wert. Ich sehe, er passt in dieses Haus.« Oder: »Ja, Sie haben recht, es ist ein wirklich wertvolles Gerät.« Oder wenigstens: »Ja, billig ist er nicht. Dafür bekommen Sie aber natürlich auch …« Einfach nur das Interesse des Kunden wertschätzen. Einfach nur ein wenig offen bleiben für die Bedürfnisse, Wünsche, Vorstellungen des Kunden: Was wollen die beiden? In diesem Haus? Was ist jetzt der Job des Verkäufers? Verdammt, kann man das jetzt noch vermasseln?
    Er konnte. Er hat es vermasselt. Und zwar so granatenmäßig, dass selbst mir der Mund offen stehen blieb.
    Er sagte: »Teuer? Na, wenn Sie es sich nicht leisten können …«
    Verloren.
    Was hatte der Verkäufer im Auto vergessen? Sein Interesse für den Kunden. Denn wenn er sich für uns interessiert hätte,

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