Nicht gekauft hat er schon
der Schulung zurück. Am nächsten Tag sollte es losgehen. Ich scharrte schon mit den Hufen. Das Fachwissen über Kopierer und Faxgeräte hatte ich jetzt. Nun sollte es an die Kunden gehen. Ich übernahm das Gebiet eines der »alten Hasen« in der Firma. Was war ich froh, dass er mir seine Karteikästen mit allen Kundendaten überlassen hatte! Alles war akkurat und sorgfältig geordnet. Die Roten waren aktuelle Kunden. Die Grünen waren nach Jahr geordnet, die Gelben nach Umsatz. Es ging doch nichts über eine gute Organisation.
Dann begann ich zu lesen. Auf dem ersten Kärtchen stand: »Der Kunde Müller ist ein versoffener Penner und total unzuverlässig.« Auf dem zweiten: »Der Kunde Meier ist ein verkniffener Geizkragen mit Mundgeruch.« Auf dem dritten: »Der Kunde Schulze hat ein Verhältnis mit seiner Sekretärin und ist ein herablassender Napoleon.« Auf dem vierten: »Der Kunde Schröder ist strohdumm und kapiert gar nichts. Besuch sinnlos.« Und so ging das in einem fort. Karteikärtchen für Karteikärtchen nur unangenehme Kundschaft. Nach drei, vier Tagen, als ich alles durchgearbeitet hatte, war mir nur noch zum Heulen. Konnte es sein, dass ich nur Nieten, Spinner und Kotzbrocken als Kunden haben sollte? Oder war mein Vorgänger die Niete, der Spinner und der Kotzbrocken? Was für ein furchtbarer Job. Was für ein katastrophales Verkaufsgebiet. Was für eine grauenhafte Branche!
Vollkommen deprimiert saß ich am Schreibtisch und ließ entmutigt den Kopf hängen. Mein Chef kam vorbei, sah den Trauerkloß mit den Karteikästen und sagte: »Limbeck, stehense auf. Nehmense die beiden Kästen und kommense mit.«
Er schob mich zum Aufzug: »Drückense auf K.«
Was wollte der bloß im Keller mit mir? Er steuerte auf die großen silbernen Mülltonnen zu: »Aufmachen, Limbeck!«
Sollte das eine bizarre Disziplinierungs-Maßnahme sein, oder was?
»Und jetzt Limbeck, schmeissense die Karteikästen rein und machense den Deckel wieder zu.«
Ehrlich? »Ehrlich! Sehense Limbeck, jetzt habense die Birne frei. Jetzt fangense von Null an. Jetzt schreiben SIE die Kärtchen.«
Großartig! Das war das Beste, was mir passieren konnte. Ab jetzt gab es nur noch Kaltakquise. Frei von den Vorurteilen, Wertungen und Meinungen meines Vorgängers. Von vornherein nichts Negatives über die Kunden im Kopf. Nur weil mein Vorgänger nicht mit einem Kunden klarkam, hieß das doch noch lange nicht, dass ich es nicht konnte.
Von vornherein nichts
Negatives über den Kunden im Kopf.
Jede persönliche Information von einem Menschen über einen anderen ist immer subjektiv wertend. Halten Sie sich lieber an die Fakten. Und auch die sollten Sie besser selbst überprüft haben, als von den Karteikärtchen eines anderen abgelesen.
Sonst geht es Ihnen wie einer Verkäuferin in einem meiner Seminare: Sie hatte einen Kunden übernommen, von dem das Kärtchen sagte: »Totaler Familienmensch. Ist für ihn das Wichtigste.«Sie stellte sich also beim Kunden vor mit dem Satz: »Wie geht ’ s denn der Frau und der Familie?«
Antwort: »Die Scheidung läuft gerade.«
Rrrrummms!
Die Seminarteilnehmerin war sogar noch ziemlich schlagfertig gewesen: »Wem sagen Sie das, meine auch. Das ist echt schwierig.«
Trotzdem war das Gespräch suboptimal verlaufen. Lassen Sie sich niemals von dem beeinflussen, was andere über Ihren Kunden sagen. Solche Informationen können falsch, gefärbt und veraltet sein. Es ist Ihr Kunde, sehen Sie jeden neuen Kunden mit neuen Augen. Mit Ihren Augen. Ich für meinen Teil bin immer gut damit gefahren. Wenn mir ein Vorgesetzter anbietet, etwas vor dem Seminar über einzelne Teilnehmer und deren Stärken und Schwächen zu erzählen, lehne ich immer freundlich ab. Unvoreingenommen zu sein, hat Vorteile für beide Seiten.
Vor Jahren hatte ein großer Kopiererhersteller sogar diesen immerwährenden Neuanfang zum Prinzip erklärt. Alle vier Jahre wurden dort die Verkaufsgebiete gewechselt. Die Begründung damals war: Unser Produkt ist so gut, dass ohnehin niemand wechseln will, der schon bei uns ist. Und jeder Verkäufer, der es in vier Jahren nicht geschafft hat, einen Kunden zu überzeugen, wird es auch im fünften nicht schaffen, weil es dann nicht am Produkt, sondern am Verkäufer liegt. Ein neuer Verkäufer schafft es aber vielleicht. Sie können von dieser Sichtweise halten, was Sie wollen. Der Kopiererhersteller war damit jedenfalls sehr erfolgreich.
Nummer fünf: Geben und denken
Wie viel können Sie durch
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