Nicht mehr tun, was andere wollen
Bildschirms ein paar kleine Punkte, genau am Rand des Blickfelds der Versuchsperson. Bevor ein grauer Buchstabe auftauchte, begannen sich zwischen fünf und zehn Prozent der Punkte in dieselbe Richtung zu bewegen– eine so kleine Menge, dass es nicht leicht war, sie mit dem menschlichen Auge zu unterscheiden. Mit anderen Worten: Durch Priming lernten die Teilnehmer, wann die grauen Buchstaben kommen mussten, wenngleich dieses Priming durch ein Signal bewirkt wurde, das sehr schwer zu erkennen war (die Bewegung der Punkte ). So konnte Watanabe messen, wie lange es dauerte, bis sie entdeckten, dass sich ein paar Punkte in die gleiche Richtung bewegten– das verriet sich in dem Moment, als die Versuchspersonen die grauen Buchstaben schneller erkannten.
Der nächste Schritt bestand auf den ersten Blick in einer Wiederholung desselben Tests. Doch diesmal war die Farbe der schwimmenden Punkte, deren Muster schon schwer genug zu entdecken war, so weit gedämpft worden, dass sie knapp unterhalb der menschlichen Wahrnehmungsschwelle lag. Das bedeutet, ein Signal, das schon schwer genug zu erkennen war, wurde nun auch noch unsichtbar gemacht– zumindest für unsere bewusste Wahrnehmung. Die Teilnehmer bekamen nun wieder die aufblinkenden Buchstaben in allen möglichen Farben zu sehen, zusammen mit den unsichtbaren Punkten. Als sie später getestet wurden, hatte sich ihre Fähigkeit, das Bewegungsmuster der Punkte zu entdecken und damit die grauen Buchstaben vorherzusehen, deutlich verbessert. Dieser Lerneffekt schien überdies konstant zu sein, denn ein halbes Jahr später verfügten die Personen immer noch über die Fähigkeit, etwas zu sehen, das Sie und ich normalerweise nicht sehen können.
Watanabe testete also unsere Fähigkeit, visuelle Information aufzunehmen, doch er hält es für möglich, dass auch andere Bereiche unseres Gehirns so funktionieren könnten. Z. B. meint er, dass das Erlernen einer Fremdsprache erleichtert werden kann, wenn sie auf eine sehr einfache Weise präsentiert wird und man ihr keine bewusste Aufmerksamkeit schenkt. Auch wenn es wohl immer noch effektiver sein dürfte, Dinge zu lernen, indem man sich auf seine Aufgabe konzentriert, zeigt dieser Versuch dennoch, dass Ihr erwachsenes Gehirn sich verändern kann, nur weil es einem bestimmten Reiz in Ihrer Umgebung ausgesetzt wird. Die Frage ist nur, wie groß diese Veränderung ausfallen kann. Es ist eben immer noch ein großer Unterschied, ob es um so etwas Einfaches geht wie einen Buchstaben, der auf einem Monitor auftaucht, oder ob man eine Sprache lernen soll.
In einer britischen Studie von 2007 wurden erstmalig Reaktionen des Gehirns auf subliminale Eindrücke gemessen. Bahador Bahrami setzte seine Testpersonen einer Reihe von subliminalen Bildern von Alltagsgegenständen aus und bat sie, gleichzeitig bestimmte Aufgaben auszuführen. Währenddessen maß er die Aktivität in dem Gehirnbereich, den man die primäre Sehrinde nennt, also den Teil des Gehirns, der auf Bilder reagieren kann. Wie Bahrami herausfand, wurde die Sehrinde aktiviert, während die Teilnehmer ihre einfachen Aufgaben ausführten, d. h., das Gehirn registrierte die subliminalen Bilder, obwohl sich die Testpersonen ihrer nicht bewusst waren. Interessanterweise registrierten die Teilnehmer die subliminalen Bilder nicht mehr, sobald ihre Aufgaben schwieriger wurden. Nach Bahramis Ansicht beweist das, dass unser Gehirn für alles offen ist, was um uns herum passiert, dass es aber immer nur eine begrenzte Menge an Aufmerksamkeit aufbringen kann. Wenn sich das Gehirn gerade nicht sonderlich anstrengen muss und Kapazitäten frei hat, verteilt es sie so, dass es z. B. auch subliminales Geschehen registrieren kann. Doch wenn es keine Kapazitäten mehr frei hat, nehmen wir nicht mehr wahr, was subliminal passiert. Bahrami ist der Ansicht, dass seine Forschungsergebnisse ein neues Licht auf die Frage werfen können, welchen Einfluss subliminale Reklame wirklich auf unser Gehirn nehmen könnte:
» Durch diese Studie lässt sich nicht belegen, ob solche Einflüsse reichen, um uns zum Kauf eines Produkts zu bewegen, aber ich persönlich glaube schon, dass subliminale Werbung unsere Entscheidung beeinflussen kann.«
Das Problem ist nur, dass die Aufgaben, die die Testpersonen lösen mussten, keine richtige Entsprechung in der Wirklichkeit haben. Die leichte Aufgabe bestand zum Beispiel darin, aus einer Flut von Buchstaben das T herauszufiltern. Die Aufgabe, die mehr Konzentration
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