Nicht mehr tun, was andere wollen
auseinanderzusetzen.
Im tragischen Fall von Ray Belknap und James Vance handelte es sich um zwei Jungs, die Drogen nahmen, schon in der Schule aufgefallen waren, die polizeilich bereits bekannt waren, zu Hause misshandelt wurden und keine Arbeit fanden. Wie der Richter in der Verhandlung unterstrich, haben solche Probleme einen wesentlich stärkeren Einfluss als den, den eine vorgebliche Suizidaufforderung in einem Rocksong jemals haben könnte. (Judas Priest verteidigten sich mit folgendem Argument: » Warum sollten wir wollen, dass sich unsere Fans das Leben nehmen? Das wäre doch kontraproduktiv.«)
Es gibt keine wissenschaftlichen Untersuchungen, die die These bestätigen würden, dass man uns zu bestimmten Taten verleiten kann, indem man uns subliminalen Botschaften aussetzt. Andererseits hat man freilich gezeigt, dass wir tatsächlich auf solche Stimuli reagieren können. Wie hängt das alles also zusammen? Es gibt ganz klare Beweise dafür, dass uns subliminale Wahrnehmung, also die Verarbeitung von Informationen, die außerhalb unseres Bewusstseins liegen, beeinflussen kann. Das klassische Beispiel ist das Cocktailparty-Phänomen. Stellen Sie sich vor, Sie sind auf einem Fest. Sie hören aufmerksam zu, was Ihr Nebenmann Ihnen erzählt und ignorieren alle Hintergrundgeräusche. Plötzlich sagt irgendjemand Ihren Namen. Sie hören das sofort und werden gleich aufmerksam auf die Person, die Sie beim Namen genannt hat. Obwohl Sie bis vor wenigen Sekunden nicht einmal gemerkt hatten, dass sich diese Person im Raum befand.
Oder schauen Sie sich dieses Bild ungefähr eine Sekunde lang an.
Und dann dieses hier:
Haben Sie einen Unterschied bemerkt? Wenn nicht, schauen Sie noch einmal gut hin. Das erste Bild zeigt eine weiße Ente zwischen den Zweigen, das zweite nicht. 1966 wurden diese beiden Bilder Hochschulstudenten gezeigt, und anschließend bat man die Versuchspersonen, ein Bild mit Naturmotiven zu zeichnen. Diejenigen, die das erste Bild gesehen hatten, zeichneten Bilder, die bedeutend mehr mit Enten zu tun hatten (Vögel, Wasser, Federn usw. ), als die anderen. Unser Gehirn bearbeitet sozusagen mehrere mögliche Deutungen eines Bildes gleichzeitig, auch wenn wir uns nur einer einzigen bewusst sind, nämlich der wahrscheinlichsten. Bei diesem Experiment reichte es schon, den Teilnehmern das zweideutige Bild eine Sekunde lang zu zeigen, und schon bemerkte ihr Gehirn die Ente als mögliche Deutung, woraufhin sie unbewusst Federvieh zu assoziieren begannen.
Solche Phänomene deuten darauf hin, dass Sie Informationen bearbeiten und von ihnen beeinflusst werden, auch wenn Sie sich ihrer nicht bewusst sind. Doch die Forschung, die bis dato dazu angestellt wurde, ist zu dem Schluss gekommen, dass unsere unbewussten Prozesse sich auf kleinere Gebiete zu begrenzen scheinen, z. B. wenn man ein Bild auf zwei Arten interpretiert.
Bis 2001 lag noch keine Studie vor, die überzeugend nachgewiesen hätte, dass ein subliminaler Eindruck uns bewegen kann, etwas zu tun, z. B. ein Produkt zu kaufen– oder auch Selbstmord zu begehen. Der Psychologe Timothy Moore fasste die allgemeine Einstellung ganz gut zusammen mit den Worten:
» Es gibt keine empirische Dokumentation stärkerer subliminaler Effekte, dass z. B. eine bestimmte Handlung provoziert wird oder jemand seine Meinung ändert.«
Der Marketingpsychologe Jack Haberstroh drückte es noch einfacher aus:
» Ob das funktioniert? Nein. Die wissenschaftliche Forschung, die darauf hindeutet, dass subliminales Marketing nicht funktioniert, ist überwältigend.«
Sogar James Vicary, der alte Schlauberger, der das Ganze ja ursprünglich ins Rollen gebracht hatte, meinte, durch subliminale Reklame könne man nur Personen zum Kauf bewegen, die sowieso schon geneigt sind, das betreffende Produkt zu kaufen. Doch selbst da kann man oft nicht beweisen, dass sie die Botschaft überhaupt aufgenommen haben– weder bewusst noch unbewusst.
Heute ist die Lage etwas anders. Die neuere Forschung (2005) zeigt, dass wir durch subliminale Eindrücke tatsächlich zu einer Verhaltensänderung bewegt werden können. Wir können nämlich Dinge lernen, ohne es zu merken. Takeo Watanabe, Psychologieprofessor in Boston, machte mit seinem Team ein spannendes Experiment. Erst ließ er die Testpersonen auf einen Monitor blicken, auf dem eine Reihe von Buchstaben in verschiedenen Farben erschien. Sie sollten dabei nach grauen Buchstaben Ausschau halten. Gleichzeitig schwammen in einer Ecke des
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