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Nicht menschlich Inc.

Nicht menschlich Inc.

Titel: Nicht menschlich Inc. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephanie Linnhe
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also nicht nur aus dieser einen Stadt. Es gab noch andere Orte, in denen andere Menschen wohnten und vielleicht auch andere Wesen. Vielleicht ganz andere Wesen. Ich schlug die Mappe auf und blickte in das süße, mädchenhafte Gesicht einer Rothaarigen.
    » Das «, Staceys mandarinenfarben lackierter Fingernagel tippte auf das Foto, »ist Carol Okes. Sie ist krankgemeldet, aber mir wurde aus zuverlässigen Quellen berichtet, dass sie seit einigen Tagen ihren Freund besucht. Er wohnt im Nachbarort.«
    »Woher weißt du das?«
    »Eine Bekannte wohnt im selben Haus wie Carols Freund. Seit Tagen quietscht sein Bett die halbe Nacht durch.« Sie verzog das Gesicht.
    »Oh.« Da war wohl jede weitere Frage überflüssig. »Verstehe.«
    Das musste nicht unbedingt auf Carol hindeuten, aber ich wollte das Gespräch nicht unnötig verkomplizieren. Waren Teufel ausnahmslos monogam, sodass sie nicht ans Fremdgehen dachten? Widerstrebte das ihrer Natur? Ein hübscher Gedanke, dass gerade Höllenkreaturen es mit den biblischen Geboten mehr als genau nehmen sollten.
    Ich gab ein Geräusch von mir, das an einen Ballon erinnerte, der an Luft verlor. Stacey behielt meinen Hals im Auge, durchaus besorgt.
    »Am besten druckst du dir die Wegbeschreibung aus oder fragst Desmond, ob er mitkommt.«
    »Gute Idee. Danke Stacey.«
    Sie verabschiedete sich, warf mir einen Blick über die Schulter zu, schlug geziert mit dem Schwanz und verließ den Raum.
    Ich ließ die Mundwinkel so abrupt fallen, dass ich die Schwerkraft im Gesicht spüren konnte. Ich hatte einen Einblick in die Fähigkeiten eines Unterteufels erhalten und mir war nicht danach, in Begeisterungsstürme auszubrechen. Vielleicht hatte ich den Grund für Desmonds Reaktion auf Staceys Zuhause entdeckt. Der Gedanke, dass die Finger aller Mitglieder der Teufelsfamilie mir langsam aber sicher das Blut aus den Adern sogen, versetzte mich in Panik. Des hatte recht, ich musste wirklich noch viel lernen.
    Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und erstellte mir eine Wegbeschreibung. Vor mir lag über eine halbe Stunde Fahrt. Nun hieß es weiterdenken. Sicher, ich würde den Weg finden, aber mit Desmond wäre es nicht nur schneller, sondern auch angenehmer. Allerdings würde der Besuch bei Stacey wegfallen, wenn er mich begleitete. Doch wollte ich das überhaupt noch durchziehen, nachdem ich gesehen hatte, wozu Stacey in der Lage war?
    Die Mappe verschwamm vor meinen Augen. Ich wusste, dass Carols Gesicht mir entgegenstrahlen würde, wenn ich sie aufschlug. Und genau das war mein Problem, ich hielt nur die Daten in der Hand, aber es steckte ein ganzer Mensch dahinter. Oder meinetwegen auch ein halber , wenn irgendein Wesen seine Hände mit im Spiel gehabt hatte. Es lief aber auf dasselbe hinaus. Was, wenn Kirstens Verschwinden wirklich mit Stacey zusammenhing? War es nicht meine Pflicht, alles daran zu setzen, es herauszufinden? Abgesehen davon, dass ich dafür bezahlt wurde.
    Ich legte eine Hand auf meine Stirn und wünschte mir jemanden, der mir sagte, was ich tun sollte. Das letzte Mal, als ich mich nicht zwischen zwei Möglichkeiten entscheiden konnte, ging es um scharfe oder Käsesoße auf meinen Nachos. Nachos waren allerdings keine lebensbedrohlichen Gegner.
    Ich schnaubte. Hier ging es vielleicht um ein Menschenleben. Was war mit der Polizei? Gab es in LaBrock so etwas? Und wenn ja, war sie menschlich? Korrupt? Vertrauenswürdig? Zu viele Fragen und zu wenig Zeit.
    Zu wenig Zeit. Was, wenn Kirsten Herms‘ Zeit ablief, während ich mir die Frechheit herausnahm, zu zögern?
    Ich atmete tief durch, schnappte mir Akte und Handtasche und machte mich auf den Weg.
    Stacey überreichte mir die Schlüssel zum Firmenwagen, als ich am Empfang vorbeikam. Das bedeutete, dass Desmond in der Nähe war. Und wirklich sah ich ihn am Geländer des Parkplatzes herumschrauben, als ich aus der Tür trat. Nach kurzem Überlegen stieg ich in das Auto, startete den Motor und fuhr los.
    Er richtete sich auf, strich sich einige Haarsträhnen aus dem Gesicht und sah mir hinterher. Ich hob lediglich grüßend eine Hand.
     
    Ich hatte Glück und verfuhr mich kein einziges Mal. So konnte ich im Anschluss bei den Enns vorbeischauen.
    Nach einer Dreiviertelstunde stand ich vor einem Haus, das sogar Kim begeistert hätte. Stumm starrte ich die blütenweiße, stuckverzierte Fassade hinauf. Auf halber Höhe steckte ein Engel mir seinen pausbäckigen Lockenkopf entgegen, als wollte er auf mich herabspucken. Was, wenn

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