Nicht menschlich Inc.
immerhin sah das, was ich erkennen konnte, menschlich aus – und redete eindringlich auf einen anderen ein, der mit gelblich glühenden Augen durch die Gegend starrte. An der Theke entdeckte ich eine sehr hübsche Frau, aus deren Schulterblättern durchscheinende Flügel ragten. Sie waren schmal und länglich und machten nicht den Eindruck, als könnte sie sich damit in die Lüfte erheben.
Genau das teilte ich Desmond flüsternd mit.
Er lächelte. »Sie sind auch nicht zum Fliegen gedacht«, murmelte er so dicht an meinem Ohr, dass meine Gänsehaut zurückkehrte.
Ich schauderte. »Wozu dann?«
»Am ehesten zur Verteidigung würde ich sagen.«
»Verteidigung.« Ich stellte mir wild fauchende Frauen vor, die um Parkplätze oder das letzte Filet im Tiefkühlregal kämpften.
Als Desmond mich am Arm fasste und nach vorn zog, ließ ich mich bereitwillig von ihm führen. Sehr praktisch, so konnte ich die Gegend beobachten, ohne auf meine Füße achten zu müssen. Unwillkürlich musste ich an Kim denken. Sie würde vor Interesse und Neugier ausrasten, wenn sie hier wäre. Anders als ich würde sie nicht nur starren, sondern Fotos schießen und die Leute fragen, ob sie mal anfassen dürfte. Vielleicht sollte ich sie als Nachfolgerin vorschlagen, wenn mir dieser Job über den Kopf wuchs oder der Prokurist mich feuerte, weil er feststellte, dass ich öfter als erlaubt am Tag auf die Toilette ging oder mein Pausenbrot eine mir noch unbekannte Gewichtsgrenze überschritt.
Als ein Mann in mein Sichtfeld kam, der keinerlei monströse Merkmale an seinem Körper trug, zumindest nicht auf den ersten Blick, und mutterseelenallein an einem Tisch saß, blieb ich stehen.
Vor uns saß Carsten.
Ich war mir hundertprozentig sicher, denn er besaß denselben Gesichtsausdruck wie seine Schwester. Augen und Mund machten aus ihm einen Befehlshaber, der auf seine Armee herabblickte. Dunkel blitzten die Pupillen und nahmen jeden und alles wahr. Wenn sich eine Regung in seinem Gesicht zeigte, dann war sie stets auf einen Teil beschränkt – ein kaum merkliches Verziehen der Lippen, die gerümpfte Nase.
Ich war mir sicher, dass er niemals mit Augen und Mund zugleich lächelte, und einen Moment lang unsicher, als ich an die junge und lockere Stimme vom Telefonat dachte. So sehr ich mich anstrengte, ich konnte sie nicht mit dem Mann in Verbindung bringen, der dort an seinem Getränk nippte.
Auch Desmond war auf ihn aufmerksam geworden. »Das muss er sein.«
Er sollte es wissen, immerhin arbeitete er mit Kirsten zusammen und würde beurteilen können, ob der Typ ihr ähnlich sah oder nicht.
Ich besann mich auf meinen Job und meine Mission, hob mein Kinn, drückte die Schultern durch und kam mir wie ein Herold auf dem Weg ins feindliche Lager vor, als ich mich dem Tisch näherte.
»Entschuldigen Sie, sind Sie Carsten Herms?«
Er nickte, und plötzlich wirkte das Herrschergesicht nicht mehr so bedrohlich wie zuvor. Ich vermutete sogar, dass er soeben dabei war, ein Lächeln zu formen.
»Sind Sie etwa die Dame von ABM?« Er streckte mir eine Hand entgegen. »Im ersten Moment dachte ich, Sie arbeiten für jemand ganz anderes.«
Da bereits genügend Fragen in meinem Kopf herumschwirrten, ignorierte ich seine Bemerkung, die ich ohnehin nicht verstand, und ließ ihn mich kurz durchschütteln. Ich war mir sehr sicher, dass es an mir nichts auszusetzen gab, meine Kleidung wirkte geschäftlich-langweilig, mein Haar lockte sich gewohnt blond bis zum Kinn und mein dezentes Make-up schrie geradezu nach Natürlichkeit.
Carsten kickte den Stuhl, der ihm gegenüberstand, vom Tisch weg. »Bitte setzen Sie sich.«
Ich lächelte und ließ mich auf den Stuhl fallen. Dann schoss ich wieder in die Höhe und stellte mich neben Desmond, der hinter mir an den Tisch herangetreten war.
»Das ist Desmond …« Mist, wie war sein Nachname? »… ein Arbeitskollege.« Ich lächelte weiter und deutete auf Carsten. »Carsten Herms, Kirstens Bruder.«
Ich beobachtete, wie sie sich in einem mir nicht ganz erschlossenen Männerritual knapp zunickten, setzte mich wieder und schlug die Beine übereinander.
»Ich bin Nala di Lorenzo«, fügte ich schnell an und ließ eine Hand nach vorn schießen. Kurz, ich benahm mich fast professionell.
Carsten lehnte sich zurück und hob die Brauen. Noch immer waren seine Mundwinkel in die Höhe gezogen und ich musste zugeben, dass er im Grunde sympathisch wirkte. Und jetzt? Was sollte ich nun sagen? Ich durfte ruhig direkt
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