Nicht menschlich Inc.
meinen Rücken. Mit einem Scheppern rutschte der Hörer des Telefons von der Gabel, prallte mit einem dumpfen Pong gegen die Wand und baumelte an seinem gedrehten Kabel hin und her. Ich fuhr zusammen. Immerhin musste ich meine sicherlich feuerroten Wangen nicht verbergen. In der Nische war es zwar hell genug, um Einzelheiten zu erkennen, aber die Lichtverhältnisse hüllten derartige Farbunterschiede gnädig ins Nichts. Desmond schwieg, ein feines Lächeln umspielte seine Mundwinkel. Er langte nach vorn über meine Schulter, angelte nach dem Hörer und legte ihn vorsichtig wieder auf die Gabel.
Ich spürte ein Kribbeln auf den Schläfen. Ablenken! Ich musste etwas tun, wenn ich mich nicht vollkommen blamieren wollte.
»Alphonse«, presste ich daher tonlos hervor und rieb mir unauffällig den Rücken.
Desmond hielt kurz inne, dann nickte er. Zu meinem Leidwesen startete er keinen neuen Versuch, aber ich verstand, dass es ihm auf engstem Raum mit mir vielleicht zu gefährlich war.
»Alphonse gehört zu jenen Familien, die von unserer Welt wissen und von den Toren, die sie mit eurer verbinden. Es gibt nicht viele Menschen, die sich als Eingeweihte bezeichnen können. Bevor sie sterben, wählen sie jemanden aus, dem sie alles erzählen, was sie über unsere Welt wissen. So stellen sie sicher, dass kein Wissen verloren geht, und machen sich nicht strafbar.«
Ich runzelte die Stirn. »Inwiefern strafbar?«
»Es gibt ein Abkommen, das vor langen Zeiten getroffen wurde. Wer aus deiner Welt dagegen verstößt, wird mit einer Strafe rechnen müssen. In der Regel wird er hierher umgesiedelt und von den Sprungtoren ferngehalten, um zu verhindern, dass er sein Wissen an nicht genehmigte Personen weitergibt. So bleibt es auf eine übersichtliche Zahl an Menschen begrenzt und verbreitet sich nicht über deine gesamte Welt mit all ihren Wissenschaftlern und Konzernen.«
»Wäre das denn so schlimm?« Mittlerweile konnte ich wieder normal reden.
Desmond zuckte die Schultern. »Wenn unsere Welt überschwemmt werden würde von Menschen in Schutzanzügen, mit hochtechnischen Geräten und Vermessungsinstrumenten? Wenn Scharen von Ärzten unsere Freunde und Nachbarn in Krankenhäuser und Labore zerren, um ihnen Blut abzunehmen oder gar Versuche mit ihnen durchzuführen? Das klingt für mich nicht wie ein Spaziergang. Letztlich darfst du nicht vergessen, dass diese Art der Geheimhaltung schon sehr lange besteht. Es ist Tradition.«
»Es ist ungerecht«, gab ich zu bedenken. »Warum wissen wir nicht von euch, aber ihr von uns? Und woran liegt es, dass ich bei uns noch niemals einen Teufel gesehen habe? Oder anderes?«
Desmond wartete, bis einer der Gäste, der in unsere Richtung getorkelt war, wieder Abstand nahm. »Dieselben Gründe, nur eben aus dem anderen Blickwinkel. Die Nichtmenschen wissen nur zu gut, dass sie nach einem Besuch der anderen Seite schnell als Versuchskaninchen enden könnten. Andere interessieren sich schlicht nicht für deine Welt. Dort gibt es nichts, was es hier nicht auch gibt.«
»Das hat meine Oma auch immer gesagt, wenn es um Urlaub ging«, murmelte ich. Obwohl ich wusste, dass er von der allgemeinen Situation sprach und nicht von mir, traf mich diese Aussage. »Und es gibt nur die Sprungtore als Verbindung?«
Er zögerte. »Streng genommen ja. Die Sprungtore sind die legalen Verbindungen.«
Oha. Nun wurde es interessant. Ehe Desmond mich in die Hinterkammern seiner Welt führen konnte, wurden wir von einem brummigen Hünen unterbrochen, der zwar menschlich aussah, aber sich nicht so benahm. Stattdessen schwankte er um die Ecke, baute sich vor uns auf und … nun ja, brummte. Dabei deutete er unmissverständlich auf das Telefon.
Desmond seufzte. »Dann sollten wir jetzt Carsten Herms finden.«
In jedem Café in Westburg hätte ich ihn in der ersten Sekunde entdeckt, denn er war die einzige Person, die allein an einem Tisch saß und suchend zu uns aufblickte. Hier im Holysmacks dagegen benötigte ich Minuten, um sein fragendes Starren als Anlass zu nehmen, auf ihn zuzugehen. Das Publikum lenkte mich zu sehr ab. Bisher war ich stets auf einzelne Exemplare mir unvertrauter Spezies gestoßen, nun erwischte mich die volle Breitseite. Direkt vor mir hockten zwei Männlein an einem Tisch, deren Körpergröße der des Prokuristen glich. Allerdings besaßen sie bläulich-weiße Haut. Sie hatten die Köpfe zueinander gebeugt und unterhielten sich flüsternd.
Am Tisch neben ihnen saß ein Mensch –
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