Nicht menschlich Inc.
Standard-Paparazzi-Job einen Blick in Staceys Badezimmer werfen wollte. Ich entschied, noch eine halbe Stunde auf Desmond zu warten.
Diese Zeit nutzte ich, um nach weiteren Informationen zu suchen und klickte mich von einem Datenordner zum anderen, fand neben höchst interessanten Kundenprofilen – einer hatte ABM den Auftrag erteilt, Einladungen durchzutelefonieren, deren Gesprächsleitfaden verdächtig nach einer Drohung klang – eine umfangreiche Bewertungstabelle der Telefonisten mit all ihren Fehlminuten und unbesonnenen Äußerungen. Sätze wie »Ich würde Stacey nicht einmal anlächeln, wenn die mein Gehalt verdoppeln würden « oder »Wenn die noch ein einziges Gänsebild hier aufstellt, bring ich sie um« waren mit Datum und Wertungen versehen. Das rief mir Alessias Worte ins Gedächtnis, Rivalitäten und Angestellte, die ihren Favoriten unterstützten. War es wirklich so, spaltete sich die Firma in das Lager Stacey und das Lager Kirsten? Hätte ich die Telefonisten befragen sollen, wie sie zu ihrer Teamleiterin standen? Ich konnte mir nicht vorstellen, dass der Prokurist begeistert gewesen wäre, wenn ich seine Crew von der Arbeit abgehalten hätte.
Ich schüttelte den Gedanken ab und starrte wieder auf das Aktendokument vor mir. So interessant es auch war, ich hielt nach anderen Dingen Ausschau. Endlich fand ich, was ich gesucht hatte, einen Ordner mit den Daten aller Mitarbeiter. Rasch notierte ich mir Staceys Adresse. Dann kopierte ich sie in die Suchmaschine und ließ mir das erste Ergebnis anzeigen. Ein Kartenausschnitt von LaBrock öffnete sich, gekennzeichnet mit einer kleinen, roten Flagge. So wie es aussah, wohnte Stacey recht weit außerhalb. Das minimierte mein Zeitfenster noch mehr. Desmond war zwar noch nicht aufgetaucht, aber ich durfte nicht viel länger warten.
»Bin auf Stand-by«, teilte ich Neil und Eric mit, während ich meine Jacke überzog und in Richtung Tür eilte.
»Bis später«, kam es deutlich und im Einklang von beiden.
Ehe ich auf eigene Faust losfuhr, wollte ich mich ein letztes Mal absichern. An der Rezeption fand ich jedoch nicht Stacey, sondern eine sommersprossige junge Frau mit aalglattem Haar, das ihr bis weit über den Rücken reichte.
»Hallo. Weißt du, wo Stacey ist?« Ich lächelte.
Sie lächelte zurück und ich wusste sofort, dass sie noch nicht lange am Empfang von ABM saß. Das Strahlen auf ihrem Gesicht war zu echt.
»Sie ist im Großraumbüro und klärt ein Problem. Ich bin übrigens Natalie, die Auszubildende. Ich bin an zwei Tagen in der Woche hier und darf mit Stacey zusammenarbeiten.« Sie streckte mir ihre Hand entgegen und wirkte dabei wie eine Primaballerina.
Während ich sie schüttelte, dachte ich darüber nach, um was für ein Problem es sich handeln mochte. Ob Stacey lange beschäftigt war?
»Du bist die Neue, oder?«, riss mich Natalie in die Gegenwart zurück.
Ich nickte. »Nala.«
»Ich hoffe, deine Arbeit macht dir Spaß.« Sie freute sich wirklich, mit mir zu reden, und wenn ich mich nicht täuschte, war sie ein Mensch. Wie hielt sie es nur aus, sich an zwei Tagen mit Stacey eine Rezeption zu teilen?
Mein Nicken wurde fahriger. Ein freundlicher Small Talk war hier eine Seltenheit und sollte honoriert werden, aber ich war in Eile.
Natalie ließ sich davon nicht stören. »Das freut mich. Quentin hatte auch immer viel Spaß, wenn er unterwegs war.«
»Quentin?« Ich war mir sicher, diesen Namen noch nie gehört zu haben.
Natalie sah sich um. »Er war dein Vorgänger, ein sehr lieber Kerl.«
Trotz der tickenden Uhr in meinem Kopf wurde ich hellhörig. Neugierig betrachtete ich die feinen Falten über Natalies Kleinmädchennase.
»Warum hat er eigentlich die Firma verlassen?«, erkundigte ich mich so beiläufig wie möglich.
Natalie blickte erneut den Gang hinab und sogar hinter sich, ehe sie sich weit nach vorn beugte. »Das weiß niemand so genau«, flüsterte sie und rieb sich über das Kinn. »Er war von einem Tag auf den anderen weg. Ich weiß nur, dass er ziemlichen Ärger mit Kirsten hatte.«
Ich unterdrückte den Drang, »Was?« zu rufen, und mimte Neutralität. »Mit Kirsten?«
Natalie zog den Kopf auf eine Weise ein, die in mir den Drang weckte, sie in den Arm zu nehmen und zu beschützen.
»Ich kann ihn da vollkommen verstehen«, raunte sie. »Sie ist sehr einschüchternd, findest du nicht? Und manchmal richtig unausstehlich.«
»Ja«, pflichtete ich ihr bei und verschwieg, dass ich Kirsten bisher nur vom
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