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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Paar Handschuhe, eine Mütze und einen Schal gestrickt und noch ein Architekturbuch gekauft. Auch ihre Geschenke freuten ihn sehr.
    Die Kerzen brannten herunter, und wir mussten sie ausblasen, damit der Baum nicht Feuer fing. Für den nächsten Tag hatten wir neue Kerzen. Mama machte es sich im Lehnsessel gemütlich und legte die Schallplatte mit Weihnachtsmusik auf, die sich die Erwachsenen immer nach der Bescherung angehört hatten. Raffi und ich spülten das Geschirr und kehrten dann ins Wohnzimmer zurück, um Mama ein Marionettenstück vorzuspielen; Pinocchio, der von der habgierigen Katze um sein Geld betrogen wird – Raffis Fuchsmarionette hatten die SA-Männer während der Kristallnacht zerstört. Früher hatten wir am Weihnachtsabend immer unten in der Werkstatt etwas aufgeführt, aber das wäre jetzt zu riskant gewesen. Doch uns machte das nichts aus. Eine kleine Weile fühlte ich mich in die glückliche, behütete Kinderzeit zurückversetzt, wie ich an Pinocchios Fäden zog und mit Piepsstimme redete, mir gegenüber Raffi, der schmierig und verschlagen versprach: »Du brauchst nur diese vier Münzen im Wunderfeld zu vergraben, dann hast du am nächsten Morgen tausend.«
    Um halb zwölf, als wir bereits im Bett lagen, hörte ich gedämpftes Glockengeläut aus irgendeiner Kirche, die nicht bombardiert worden war. Wir standen auf und ich öffnete das Fenster hinter dem Verdunklungsrollo. Eng umschlungen, um warm zu bleiben, lauschten wir über die zerstörte Stadt hinweg dem Glockenklang – und dann stimmten aus einer anderen Richtung andere Glocken mit ein und irgendwo ganz fern läutete es ebenfalls.
    »Gleich gehen die Leute in die Kirche«, sagte Raffi. »Zur Mitternachtsmette.«
    »Alles ist ausgepackt. Weihnachten ist vorbei.«
    »Jedes Mal, wenn ich deinen Pullover anziehen werden, packe ich mich in dich ein«, sagte Raffi und küsste mich. »Wir haben doch noch morgen, Jenny.«

Kapitel Dreiundzwanzig
    A ls ich am folgenden Morgen aufstand, roch es bereits nach Mett. Ich ging in die Küche, um nachzusehen, was Mama machte. Muffi war auch da, sie strich, die Nase in der Luft und sehnsuchtsvoll schnuppernd, um Mamas Beine.
    »Ich stopfe den Hals«, erklärte Mama. »Weißt du, so, wie Tante Edith das immer gemacht hat.«
    Ich nickte. Sie hatte ihn immer mit Mett gefüllt. Köstlich war das gewesen. Ich nahm unser Frühstück und ging zurück zu Raffi.
    Als ich später unser Mittagessen holte, war Mama schon wieder in der Küche, vor sich eine Tasse Kaffee und das Fotoalbum. Sie hatte die Seite mit ihrem Hochzeitsfoto aufgeschlagen.
    »Lass mich mal sehen«, bat ich.
    Sie schob es zu mir herüber. Papa hatte noch alle Haare auf dem Kopf, ohne eine Spur von Grau, und hielt einen Zylinderhut in der Hand. Er strahlte in die Kamera. Mama trug einen Blumenkranz mit einem langen Schleier, der an den Kanten ebenfalls mit Blümchen bestickt war. Ihr Blick war schüchtern, aber glücklich. Natürlich hatte ich das Foto schon oft betrachtet, aber jetzt fiel mir zum ersten Mal richtig auf, wie glücklich die beiden aussahen. Sie waren so jung und freuten sich darauf, zusammenzuleben und eine Familie zu gründen – und jetzt war Karl tot und Papa in Amerika in Gefangenschaft. Wie so oft gab es mir einen Stich, aber ich schob die Traurigkeit beiseite. Jetzt, da Raffi morgen weggehen würde, konnte ich sie nicht gebrauchen. Stattdessen dachte ich daran, dass Mama und Papa ein verliebtes Paar gewesen waren wie Raffi und ich. Es klingt albern, aber ich hatte mir noch nie zuvor Gedanken darüber gemacht, dass sie auch noch etwas anderes waren als nur meine Eltern.
    Ich ertappte mich bei der Frage: »Mama – Papa und du, habt ihr gewartet bis nach der Hochzeit?«
    Sie wusste, worauf ich hinauswollte. »Ja«, erklärte sie, und ihre Stimme klang streng. Dann wurde sie weicher. »Meine Eltern haben dafür gesorgt, dass wir keine Gelegenheit dazu hatten.« Sie lächelte. »Dein Vater hatte gerade sein Gewerbe als Marionettenbauer begonnen, und ich lernte bei Frau Winselberg das Schneidern. Mein Vater war dagegen, wenn es nach ihm gegangen wäre, hätte ich studieren sollen, aber ich hatte nur die Schneiderei im Sinn. Und dann zählte für mich plötzlich nur noch, deinen Vater zu heiraten. Trotzdem machte ich erst meine Lehre zu Ende. So schnell zu heiraten, hätten wir uns ohnehin nicht leisten können.«
    Ich schnitt Brot und strich Tante Gretes Butter darauf. Auch Käse hatte sie uns gebracht. Ich sagte: »Und Oma

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