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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Kinderzeit. Damals waren wir alle zusammen im Tiergarten oder am Wannsee spazieren gegangen, und Raffi und Karl und ich waren herumgerannt und hatten Fangen gespielt. An Raffi geschmiegt, saß ich auf dem Bett – und die Uhr schlug drei, dann vier, und dann war es plötzlich halb fünf.
    »Zeit für die Verdunklung«, stellte Mama fest und stand auf. »Ich erledige das.«
    Sie war so rührend, aber mir steckte ein furchtbares Gefühl in der Kehle. Jede Sekunde tat weh.
    Als Mama fertig war, rief sie uns in die Küche. »Hier habe ich Proviant für dich, Raffi«, sagte sie und gab ihm mehrere Päckchen. »Gefüllter Gänsehals, die letzte Orange und der Rest vom Stollen.«
    »Danke, Tante Sylvia«, entgegnete er mit rauer Stimme.
    Ich wusste noch, wie er sich geweigert hatte, mit einem Kindertransport zu Fremden zu fahren, und jetzt ging er doch zu Fremden. Ich hätte gern laut geheult, aber das durfte ich nicht.
    Die Uhr schlug drei viertel.
    Raffi sagte: »Ich möchte noch einmal einen Segen sprechen. Als wäre heute Sabbat.«
    Wir setzten uns hin, und er segnete den Gänsehals und den Stollen und uns. Dann umarmte und küsste er Mama und sagte: »Danke, Tante Sylvia. Danke.«
    »In dem Gänsehals ist Schweinefleisch«, bemerkte Mama, als wäre ihr das gerade erst wieder in den Sinn gekommen.
    Er schüttelte den Kopf. »Das war zu Hause auch immer so.« Er nahm meine Hand und hielt sie fest.
    Wir suchten nach Worten, die wir einander sagen konnten, doch es fiel uns nichts ein. Es war eine Qual, wie am Bahnhof, wenn man sich schon fast wünscht, die Leute würden endlich abreisen, weil der Abschied so eine Strapaze ist – und doch hatte ich das Gefühl, sterben zu müssen, wenn er fort war. Muffi kam zu Raffi und winselte, bis er sie auf den Schoß nahm, auf den Rücken drehte und ihren Bauch kraulte. Sie leckte seine Hand und gab Laute des Wohlbehagens von sich.
    Als es fünf Uhr schlug, erwartete ich irgendwie, dass der Unbekannte auf einmal vor uns erscheinen würde wie der Dschinn aus Tausendundeiner Nacht. Aber das geschah nicht.
    Wartend saßen wir da. Meine Hände waren zu festen Fäusten geschlossen. Raffi setzte Muffi ab und nahm mich wieder in den Arm, und genau in diesem Moment klingelte es.
    Mama öffnete die Tür. Erstmal passierte gar nichts. Ich wusste, dass die Frau jetzt die Losung nannte. Dann brachte Mama sie in die Küche. Sie trug einen schäbigen, hellbraunen Hut und Mantel und war undefinierbaren Alters, der Typ Frau, den man auf der Straße nie beachten würde. Sie war die richtige Person für diesen Auftrag – sie der Gestapo zu beschreiben, dürfte schwerfallen.
    »Wir können jetzt noch nicht los«, erklärte sie. »Es wäre verdächtig, wenn ich nicht ein bisschen bliebe. Gibt es hier einen Hintereingang?«
    »Ja.«
    »Gut. Wenn ich weg bin«, sagte sie an Raffi gewandt, »dann gehst du die Treppe runter und wendest dich auf der Straße in Richtung Kurfürstendamm. Ich erwarte dich ein paar Häuser weiter.«
    Mama fragte: »Möchten Sie einen Kaffee?«
    Sie hob schnuppernd die Nase. »Sie haben echten Bohnenkaffee gemacht, nicht wahr? Den nicht, lieber Getreidekaffee. Ich will nicht durch den Geruch Aufmerksamkeit auf mich ziehen.«
    Mama setzte Wasser auf.
    »Wo bringen Sie ihn hin?«, fragte ich.
    »Ach, meine Liebe, es ist besser, wenn du das nicht weißt«, entgegnete sie.
    Ich fühlte mich zurechtgewiesen wie ein kleines Kind, obwohl ich doch wusste, dass sie recht hatte. Ich starrte zu Boden.
    »Wenn alles vorbei ist, werden wir zusammen sein, Jenny«, sagte Raffi. »Ich werde dich suchen und finden, versprochen.«
    Ich schluckte schwer. »Ja, natürlich.«
    Die Frau sah uns an und da fiel bei ihr der Groschen. »Wir tun für ihn, was wir können«, sagte sie freundlich. Dann trank sie ihren Kaffee. »So, jetzt gehe ich«, erklärte sie. Und, an Raffi gewandt: »Du zählst bis fünf und kommst mir dann nach.«
    Mama brachte sie zur Wohnungstür. Raffi nahm mich zum letzten Mal in die Arme und begann zu zählen. Als Mama zurückkam, war Raffi bereits dabei, die Hintertür zu öffnen. Ich begleitete ihn nach unten. Er schloss die Hoftür auf, drehte sich noch einmal um, gab mir einen kurzen, stürmischen Kuss und verschwand. Ich sperrte die Tür hinter ihm ab.
    Die Tränen hielt ich zurück, bis ich wieder oben war. Auch Mama weinte, trocknete sich aber sofort die Augen.
    »So«, sagte sie. »Wir haben jetzt zu tun, Jenny.«
    »Was denn?«, fragte ich.
    »Wir müssen Raffis

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