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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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Teil davon«, antwortete Tante Edith. »Aber die besten Stücke haben wir in einem Versteck unter den Fußbodendielen aufbewahrt. Die haben sie nicht gefunden.«
    »Gott sei Dank, wenigstens das …«, setzte Katrin an.
    Dann hörten wir es. Ein großes Auto, vielleicht war es auch ein Lastwagen, kam rasch die Straße rauf. Mit quietschenden Bremsen stoppte es vor unserem Haus. Muffi begann zu bellen.
    »Was …!«, rief Raffi. Keine Minute später standen wir alle am geöffneten Fenster und blickten hinunter auf die Straße.
    Es war tatsächlich ein Lastwagen, so einer, wie er zum Transport von Kohlesäcken benutzt wurde. Drei Männer stiegen aus und gingen in den Laden. Sie trugen Ledermäntel, Schirmmützen und hohe glänzende Stiefel.
    Tante Edith schnappte nach Luft, als hätte ihr jemand ein Messer in den Leib gestoßen. »Die Gestapo«, sagte sie.
    Ich starrte auf die Gefangenen, die auf der Ladefläche kauerten, es waren ungefähr zehn. Sie hatten aschfahle Gesichter, manche waren verletzt und mit ihrem eigenen Blut beschmiert. Mein Herz begann heftig zu pochen.
    Und dann stieß einer der Männer Onkel Markus aus dem Laden. Papa kam ihnen in Hemdsärmeln nachgelaufen. Er protestierte, versuchte den Gestapomann aufzuhalten und redete auf ihn ein: »Was hat mein Freund verbrochen? Er war sein Leben lang ein guter Bürger, er hat im Krieg für Deutschland gekämpft. Er hat das Eiserne Kreuz, hören Sie? Sie dürfen ihn nicht verhaften.« Entsetzt hielt ich den Atem an. Mit der Gestapo legte man sich besser nicht an.
    Ich sah, wie der zweite Gestapomann ganz beiläufig hinter Papa trat und ihm von hinten in die Kniekehlen trat. Papa sackte auf den Bürgersteig. Dann spuckte der Mann Papa an und traktierte ihn mit Tritten in die Rippen. Ich hatte das Gefühl, als träfe jeder Tritt mich. Papa versuchte sich zu schützen, indem er sich zusammenkrümmte, er schrie gellend vor Schmerz. Ich öffnete den Mund, doch ehe ich einen Laut von mir geben konnte, schob sich Katrins Hand davor. Trotzdem brüllte ich: »Lassen Sie meinen Papa in Ruhe! Tun Sie ihm nicht weh!« Katrins harte, nach Seife riechende Hand erstickte alles.
    »Jennylein«, zischte mir Katrin ins Ohr, »sei still, du machst alles nur noch schlimmer.«
    Ich sah, wie Onkel Markus sich loszureißen versuchte, vielleicht um Papa zu helfen, und wie der Grobian, der ihn festhielt, ihm einen Schlag ins Gesicht versetzte. Er taumelte, Blut lief ihm aus der Nase.
    Tante Edith flüsterte verzweifelt: »Warum sind sie bloß nicht zum Essen raufgekommen, als wir sie gerufen haben?«
    »Ich gehe jetzt runter«, sagte Raffi.
    »Nein«, protestierte Tante Edith. » Nein , Raffi, um Himmels willen. Ist nicht schon alles schrecklich genug?«
    Das hörten die Männer. Sie blickten alle drei zu uns herauf und dann fingen sie zu lachen an. Die Leute, die vorbeikamen, wechselten die Straßenseite, um nicht hineingezogen zu werden, und einen Augenblick sah ich das Ganze mit ihren Augen, wie einen kurzen Filmschnipsel: zwei Männer und die Gestapoleute, die sie fertigmachten, und dazu wir am Fenster, die alles mit kalkweißen Gesichtern mit ansahen. Ein Bild, das sie so schnell wie möglich wieder vergessen wollten, damit es ihnen beim Abendessen nicht den Appetit verdarb.
    Die Männer hievten Papa unsanft auf die Ladefläche wie einen Sack Kartoffeln. Ich wimmerte in Katrins Hand hinein. Nach ihm bugsierten sie Onkel Markus hinauf. Als sie wegfuhren, sah ich Karl mit einer Papiertüte in der Hand die Straße entlangkommen.
    Ich lief Karl in den Flur entgegen und warf mich in seine Arme. Er drückte mich so fest an sich, dass sich seine Finger in meinen Rücken bohrten, aber ich sagte ihm nicht, dass es wehtat. Das war jetzt nicht wichtig.
    »Schweinehunde«, sagte Karl. »Dreckige, stinkende Schweinehunde .« Er ließ mich los und wir gingen ins Esszimmer.
    Tante Edith stand immer noch am Fenster, ganz starr und mit bleicher Miene. Raffi streichelte ihren Rücken. Seine Kiefermuskeln waren angespannt.
    »Was können wir bloß tun?«, fragte ich Karl.
    »Zu Onkel Hartmut gehen«, antwortete er.
    Das verstand ich nicht. »Der ist doch ein Nazi.«
    Aber Katrin nickte zustimmend. »Er ist einer ihrer reichen Geldgeber«, sagte sie. »Du bist ein kluger Kopf, Karlchen.«
    »Er hat Beziehungen«, erklärte mir Karl. »Vielleicht kann er erreichen, dass sie freigelassen werden.«
    »Ich komme mit«, sagte ich.
    »Ich auch«, schloss sich Raffi sofort an.
    »Wir gehen alle«,

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