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Nicht ohne dich

Nicht ohne dich

Titel: Nicht ohne dich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Boje Verlag
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dass ihr kommt. Und jetzt, Jenny, sorg dafür, dass deine Mutter sich ausruht. Anschließend will ich mit dir reden. Du kannst in mein Arbeitszimmer kommen.«
    Minna führte uns nach oben ins Gästezimmer. Ein breites Doppelbett mit zwei Matratzen und dicken Kissen und Daunendecken, alles weiß bezogen. Der auf Hochglanz polierte Holzboden schimmerte wie flüssiger Honig. Muffi drängte sich zwischen Mama und mich und wandte immer wieder den Kopf, um uns alle Körperteile zu lecken, die sie erreichen konnte.
    »Das Gästebad ist hier«, sagte Minna und öffnete eine Tür.
    Badewanne, Waschbecken und Toilette waren weiß und massiv, die Wasserhähne und Griffe aus glänzendem Chrom. In einem Kristallgefäß befand sich Badesalz, und die weißen, flauschigen Handtücher waren noch edler als die der Lagerleiterin. An der Tür hing ein Frotteebademantel. Für all diesen Luxus fühlte ich mich viel zu schmutzig.
    Als ich wieder ins Schlafzimmer kam, legte Minna gerade für jede von uns ein Nachthemd bereit – von Tante Grete geborgt. Sie machte einen Knicks und sagte: »Ich bringe Ihnen Lindenblütentee, Frau Friedemann. Und einen Teller Hühnerbrühe mit Nudeln.«
    Das war die richtige Krankenkost. Ich sagte mir: Die Hühnerbrühe wird Mama beim Gesundwerden helfen, die Mädchen im Lager hatte keine Hühnerbrühe. Und ich werde zu Onkel Hartmut gehen und ihm sagen, er muss einen Arzt für sie rufen.
    »Ich will einfach nur schlafen, Minna«, sagte Mama.
    Als wäre Mama ein Kind, bestimmte Minna: »Ja, nachdem Sie etwas Stärkendes zu sich genommen haben, Frau Friedemann.«
    Bei unseren früheren Besuchen war sie stets im Hintergrund geblieben, eine stämmige, tüchtige Frau mittleren Alters mit einer makellos weißen Schürze über dem schwarzen Kleid. Jetzt erst merkte ich, wie lieb sie war. Ich war ihr sehr dankbar.
    Mama schlief ein, kaum dass sie im Bett lag, und wir mussten sie aufwecken, um ihr den Tee und die Brühe zu geben. Nachdem sie beides brav getrunken hatte, legte sie sich wieder hin und schlief weiter.
    Es dunkelte bereits, als ich Onkel Hartmuts Arbeitszimmer betrat. Minna ließ die Verdunklungsrollos herunter, zog die karmesinroten Brokatvorhänge zu und schlüpfte dann aus dem Zimmer.
    Ich saß ihm gegenüber am Schreibtisch. »Mama braucht einen Arzt. Kannst du einen kommen lassen?«
    »Warten wir ab, wie es ihr morgen geht«, entgegnete er. »Nein, Jenny, keine Widerrede! Ich glaube, dir ist nicht ganz klar, in was für einer Situation wir uns befinden.« Er rutschte auf seinem Stuhl herum und trommelte nervös mit dem Finger auf seinen rosafarbenen Löschblock. Muffi legte die Pfoten auf meine Knie und ich hob sie auf meinen Schoß.
    »Onkel Hartmut, ich bin dir wirklich dankbar dafür …«
    »Ich musste euch freikaufen, weißt du. Natürlich habe ich mich schon gleich nach eurer Verhaftung beim Innenministerium für euch eingesetzt«, unterbrach er mich.
    So, so, dachte ich.
    Er schob das Kinn nach vorn. »Ich habe denen euer Montgomery-Märchen aufgetischt. Natürlich weiß ich, dass das gelogen ist. Mir habt ihr nie was vormachen können. Aber dort hat es bewirkt, dass man euch mit Nachsicht behandelt hat.«
    Vielleicht, dachte ich. Immerhin hatte man mich nicht gefoltert. Wahrscheinlich hätte ich ihm jetzt noch mal danken müssen, aber er schien keinen Wert auf meinen Dank zu legen, und so, wie er redete, hatte ich keine Lust, mich zu wiederholen. »Na, direkt nett waren sie trotzdem nicht zu mir«, sagte ich. »Und das KZ war kein Zuckerschlecken.«
    »Hüte dich davor zu denken, ich hätte euch von vornherein davor bewahren sollen«, sagte er ärgerlich. »Solche Verhandlungen dauern ihre Zeit. Sogar schon bevor dein Brief kam …«
    Ich unterbrach ihn. »Was haben wir dich gekostet, Onkel Hartmut?«
    »Einen Haufen Diamanten«, erklärte er. »Reichsmark will heutzutage keiner mehr. Du bist ein naseweises Ding, Jenny, weißt du das? Dein Vater hätte dir ab und zu eine Abreibung verpassen sollen. Und deinem Bruder auch, das hätte euch Manieren beigebracht.«
    Ich war wütend. »Lass Karl aus dem Spiel. Egal, ich weiß sowieso, warum du uns rausgeholt hast. Damit wir uns nach dem Krieg für dich einsetzen können.«
    Darauf gab er keine Antwort. »Dir ist wohl nicht klar, wie heikel die Lage ist. Dieser Gestapomann, Brenner, der, der dich verhört hat – der hat eine Mordswut auf euch, weil er das Versteck hinter dem Puppentheater deines Vaters nicht entdeckt hat. Ihr habt ihn um die

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