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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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wollte, mit passender Tapete und allem. »Ihr seid doch verrückt«, sagten sie. »Elke ist noch so jung, das hat doch noch Zeit.« Sie wussten nicht, dass es ein kleines Mädchen namens Meral gab, das in dieses Zimmer einzog. Um ihren Eltern die Nachricht »schonend« beizubringen, dachte sich Elke gemeinsam mit meinem Vater eine besondere Überraschung aus. Ich erinnere mich noch sehr gut an dieses erste Zusammentreffen mit meinen neuen Großeltern, eine Szene, die sich tief in meine Erinnerungen eingeprägt hat: Wir fahren im Auto nach Holland, denn hier haben Elkes Eltern ein Ferienhaus. Papa und Mama lachen miteinander, halten sich an den Händen und sind glücklich, und ich bin es auch. Draußen ist es schon dunkel. Ich halte vorsichtig einen Blumenstrauß in der Hand; keine der schönen Blüten soll verletzt werden. Um die Stielenden hat Elke ein Papiertaschentuch gewickelt, damit die Blumen feucht gehalten werden und nicht verwelken. Mir ist feierlich zumute, und ich bin aufgeregt, denn gleich habe ich einen großen Auftritt.
    »Hier geht es rechts ab«, sagt Elke, und mein Vater biegt in den kleinen Feldweg ein. Auch Elke ist nervös, ich kann das spüren. »Da, das kleine Haus dort hinten, da ist es.«
    Mein Vater parkt den Wagen so, dass man ihn von dem Häuschen aus nicht sehen kann.
    »Wiederhol noch mal«, sagt er zu mir. »Was sollst du tun?«
    »Ich soll an der Tür von dem Häuschen klopfen.«
    »Ja, ja«, gibt mein Vater ungeduldig zurück, »und dann?«
    »Dann sag ich ›Blumen für die Oma‹.«
    »Genau«, sagt Elke und lacht ein bisschen hysterisch. Mein Vater tätschelt mir die Schulter.
    »Na los«, sagt er. »Worauf wartest du?«
    Mein Vater und Elke verstecken sich hinter einem Gebüsch. Nun bin ich dran. Ich halte den Blumenstrauß wie einen Schild vor mich und marschiere los. Mein Herz klopft, als ich den Klingelknopf drücke. Es dauert ein paar Sekunden, dann höre ich, wie sich innen Schritte nähern. Die Tür geht auf und vor mir steht ein freundlicher Herr. Er ist erst Mitte vierzig, doch mit seinem weißen Seemannsbart und dem gemütlichen, runden Bauch kommt er mir schon ziemlich alt vor. Er ist mir auf Anhieb sympathisch.
    »Blumen für die Oma«, piepse ich und sehe den Mann mit weit aufgerissenen Augen an.
    Der schaut verdutzt. »Nanu«, sagt er, »wer bist du denn? Ella«, ruft er dann ins Innere des Häuschens, »komm doch mal. Da ist ein Kind. Ich glaube, die Kleene hat sich verlaufen.«
    Ella kommt dazu und schaut genauso überrascht auf mich herunter wie ihr Mann.
    »Hast du dich verlaufen?«
    »Nö«, sage ich, trete verlegen von einem Bein auf das andere und schiele hilfesuchend hinüber zu dem Gebüsch. Was nun?
    »Da drüben«, sagt Ella, »da wohnen auch Deutsche, versuch es doch mal da …«
    Und als wäre dies das Stichwort für sie, brechen Hamid und Elke hinter dem Gebüsch hervor. Die Überraschung ist groß.
    »Dachte ich es mir doch«, sagt Elkes Vater. »Für dich musste ich also das Kinderzimmer tapezieren. Na, dann kommt erst mal rein.«
    An jenem Abend sitze ich noch lange auf dem Schoß von meiner neuen Oma, eingehüllt in ihre Warmherzigkeit und mit dem Geschmack von Süßem auf der Zunge: Es gibt leckeren Karamelpudding. Auch der Opa ist herzlich zu mir, wenn ich auch deutlich spüre, dass er sich Gedanken macht. Immer wieder mustert er meinen Vater, so als sei er sich nicht sicher, ob Hamid wirklich ein guter Partner für seine Tochter ist.
    Ella sagt: »Dass ich jetzt schon Oma sein soll … Und was ist, wenn ich gar keine Lust darauf habe? Weißt du was, Kleine, sag einfach Ma zu mir, ja? Das hört sich nicht so schrecklich alt an.«
    »Und ich bin Manfred«, fügt Elkes Vater hinzu. Ihn nannte ich Pa.
    Während ich auf Ellas Schoß sitze und Pudding löffle, höre ich zu, wie die Erwachsenen über die Zukunft sprechen.
    »Jetzt mal im Ernst«, sagt Manfred, »wie stellt ihr euch das denn vor? Der Hamid hat ja nicht mal eine feste Anstellung!«
    »Ja, das stimmt«, sagt mein Vater. »Aber ich habe eine Stelle als Busfahrer in Aussicht.«
    Es sieht nicht so aus, als beruhigte Manfred diese Auskunft. Er macht sich Sorgen, das kann ich deutlich sehen.
    »Ich werde Hamid bei den Prüfungen helfen«, versucht Elke ihn zu beruhigen. »Weißt du, Papa, er ist nur vier Jahre zur Schule gegangen. Die haben keine Schulpflicht da unten.«
    Bei der Prüfung haben sie es tatsächlich so gemacht: Elke tat so, als würde auch sie die Prüfung ablegen, und kurz vor der

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