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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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warten. Ich versuche meinen Atem zu beruhigen; meine Angst ist unendlich groß. Und dann klingelt es auch schon. Angelika wirft mir noch einen beruhigenden Blick zu, dann öffnet sie die Tür.
    Mein Vater kommt herein, und ich tue so, als würde ich in einem der Bücher blättern. Und fühle zugleich, dass er uns das nicht abnimmt. Nicht um diese Zeit. Nicht, wenn nebenan eine Party läuft.
    Angelika redet beruhigend auf meinen Vater ein. Ich bin mir nicht sicher, ob er ihr zuhört, sein Blick ist unverwandt auf mich gerichtet. Auf Angelika hält er große Stücke, sie ist eine Freundin von Elke, und er selbst ist mit Angelikas Mann Friedhelm befreundet, die beiden sind schon zusammen mit dem Motorrad unterwegs gewesen. Mein Vater hat die Angewohnheit, sein Handy zu zertrümmern, wenn er wütend ist, und einige Male hat es ihm Friedhelm dann wieder repariert. Meine Chancen stehen nicht schlecht, dass er sich von Angelika tatsächlich ins Gewissen reden lässt.
    »Du musst mir versprechen«, sagt Angelika gerade, »dass du dem Mädchen nichts tust. Sonst bleibt sie hier, Hamid, das ist mein Ernst.«
    Schließlich verspricht er es ihr. Doch Angelika ist noch nicht überzeugt. »Du musst es mir schwören«, sagte sie. »Auf den Koran musst du mir schwören, dass du das Mädchen nicht schlägst, hörst du?«
    Sie begleitet uns tatsächlich nach Hause, mein Vater holt seinen Koran aus dem Bücherschrank und legt seine Hand darauf.
    »Ich werde ihr kein Haar krümmen«, sagt er. »Ich schwöre es.«
    Erst jetzt ist Angelika beruhigt und verabschiedet sich. Die Tür fällt ins Schloss. Von meinen Geschwistern ist nichts zu sehen. Ich beobachte meinen Vater, doch er scheint sich tatsächlich an sein Versprechen zu halten. Wir reden ganz ruhig miteinander, sicherlich eine Stunde lang, wenn nicht länger. Und dann passiert es wieder. Ich habe irgendetwas Falsches gesagt oder getan, eine Kleinigkeit, ich weiß selbst nicht genau, was der Auslöser war. Oder vielleicht übernimmt das Monster in ihm wieder die Kontrolle und es liegt gar nicht an mir. Warum suchen Frauen, die häuslicher Gewalt ausgesetzt sind, eigentlich immer zunächst die Schuld bei sich selbst? Was auch immer die Ursache dieses Mal war: Wieder bricht die Hölle aus, ich versinke in einer übermächtigen Welle aus Gewalt.
    Von diesem Abend, der nicht enden will, habe ich heute noch eine Narbe am Bein von einer tiefen Fleischwunde. An meiner Stirn, direkt unter dem Haaransatz, drückte mein Vater seine brennende Zigarette aus, eine halbmondförmige Narbe zeugte noch viele Jahre davon. Als er endlich mit mir fertig war, sperrte er mich in mein Zimmer ein. Das sollte für die nächsten Wochen mein Gefängnis sein. Ich durfte nicht mehr zur Schule gehen. Das Essen wurde mir heruntergebracht, ich musste in einen Eimer pinkeln, es war mir nicht einmal mehr erlaubt, das Bad zu benutzen, mich zu waschen oder zu duschen. Auch meine Wunde am Bein wurde nicht versorgt, ich konnte ohnehin kaum gehen. So lag ich Tage und Nächte, nur auf einer Matratze auf dem kaltem Fliesenboden, schrieb Tagebuch oder döste vor mich hin, um in diesen Albtraum wieder aufzuwachen: Gefangene meines Vaters zu sein. Und das auf unbestimmte Zeit.
    Wenn mein Vater nachts nicht schlafen konnte, dann kam er zu mir herunter und trat mich in die Seite, bis ich wach war. Dann zählte er mir alle meine Vergehen auf. Dass ich sein Verbot ignoriert hatte und zu Tanjas Party »abgehauen« war, sei das letzte Glied in einer langen Kette von Verfehlungen, die unverzeihlich seien. Er könne mir nicht mehr vertrauen.
    »Du bleibst so lange in diesem Zimmer, bis ich einen passenden Ehemann für dich zu Hause in der Türkei gefunden habe. Dann wirst du heiraten, und ein anderer übernimmt die Verantwortung für dich. Bis dahin bist du meine Gefangene.«
    Eines Abends kam mein Onkel Momo, der Bruder meines Vaters, der nur wenig jünger war als er. Das war etwas Besonderes, denn Momo kam selten zu uns. Er hatte immer deutsche Freundinnen, aber noch keine Kinder. Er verschaffte sich zunächst als Boxer, dann als Security-Unternehmer und später als Clubbesitzer in Mönchengladbach erst einen Namen und dann einen schlechten Ruf.
    Zwei, drei Jahre zuvor hatte ich etwas Unangenehmes mit diesem Onkel erlebt. Ich war damals noch ein richtiges Kind, auch wenn mein Vater langsam begann, mich alles Möglichen zu verdächtigen, und da ich immer so verschmust war, saß ich allen immer noch gern auf dem Schoß. So einmal

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