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Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition)

Titel: Nicht ohne meine Mutter: Mein Vater entführte mich als ich ein Jahr alt war. Die Geschichte meiner Befreiung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meral Al-Mer
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auch sie unternimmt nichts.
    »Wir haben sturmfreie Bude«, strahlt Tanja. »Meine Eltern fahren extra weg, damit wir so richtig schön feiern können!«
    »Au Mann«, denke ich, »und ich muss wieder zu Hause bleiben.«
    Doch dann höre ich, dass unsere Eltern genau an diesem Abend gemeinsam weggehen wollen, und beschließe, trotz des Verbots rüberzugehen und wenigstens ein bisschen mitzufeiern.
    Es wird ziemlich spät, bis Elke und Hamid endlich aufbrechen. »Eine Stunde könnte ich mich davonschleichen«, denke ich. »Oder vielleicht auch zwei …« Meine Geschwister und Leyla weihe ich ein, und sie versprechen, mich nicht zu verraten.
    Als ich an Tanjas Haustür klingle, muss ich lange warten, dann öffnet mir ein angetrunkener Junge, den ich nicht kenne. Enttäuscht registriere ich, dass die Party offenbar schon vorbei ist. Hier und dort liegen noch ein paar betrunkene Jugendliche zwischen all dem Chaos aus Flaschen und Gläsern. Da ich mich in Tanjas Haus auskenne, gehe ich direkt in den Keller in den Hobbyraum, hole die CD von »2 Unlimited« aus der Anlage und suche im Stapel so lange, bis ich Lenny Kravitz’ »Are you gonna go my way« finde. Ich lege die Scheibe ein, schließe die Augen und fange an zu tanzen. Ganz allein.
    »Wo kommst du denn her«, höre ich Tanja durch die Musik hindurch schreien. »Hat er dich jetzt erst gehen lassen?«
    Sie trägt ein riesiges Tablett voller schmutziger Gläser.
    »Ich bin abgehauen«, erkläre ich ihr.
    Tanja macht ein erschrockenes Gesicht.
    »Alles easy«, beruhige ich sie, »sie sind gerade erst gegangen, das kann dauern. Sollen wir eine rauchen? Ich hab was von meinem Vater geklaut!«
    »Oh, geil«, schreit Tanja. »Gerne!«
    Ich habe den Stoff unter der kitschigen Lampe in Form einer Moschee gefunden, die bei uns zu Hause herumsteht. Jetzt hole ich ihn raus und fange an, einen Joint zu drehen.
    »War das wieder unter der Moschee? Sag mal, merkt er das nicht?«
    Ich zucke mit den Schultern. Tanja stellt das Tablett weg und wir setzen uns hin. Ich zünde die Tüte an, nehme einen tiefen Zug, lehne mich entspannt zurück und atme den Rauch wieder aus. Da klingelt es an der Tür. Ich fahre entsetzt auf.
    »Wer kommt denn so spät noch?«, fragt Tanja und steht auf.
    Ich halte sie am Arm fest. Mir schwant Schreckliches.
    »Tanja«, sage ich leise, und meine Stimme zittert, »wenn das mein Vater ist … der bringt mich um …«
    Wieder läutet es, diesmal etwas länger, ungeduldiger. Ich springe auf und sehe mich um wie ein gehetztes Tier. Tanja geht nach oben, und ich folge ihr auf Zehenspitzen. Vorsichtshalber verstecke ich mich hinter der Küchentür und lausche. Tanja öffnet die Haustür.
    »Hallo, Tanja«, höre ich meinen Vater sagen, und mein Blut gefriert mir in den Adern, »ist Meral da?«
    »Nein«, antwortet Tanja.
    Ein paar Sekunden, die mir wie eine Ewigkeit vorkommen, herrscht Schweigen. Dann höre ich wieder die Stimme meines Vaters.
    »Tanja«, sagt er ernst, »wenn ich herausbekomme, dass das nicht stimmt, dann kriegst du großen Ärger.«
    »Aber Herr Al-Mer«, gibt Tanja im unschuldigsten Ton zur Antwort. »Meral ist wirklich nicht hier.«
    Mein Vater lässt es damit tatsächlich bewenden und verabschiedet sich. In meinem Kopf dreht sich alles. Ich muss weg von hier, so schnell wie möglich. Doch wohin? Wie kann ich meine Abwesenheit so spät am Abend erklären?
    Schnell und leise wie ein Wiesel laufe ich barfuß, die Schuhe in der Hand, in den Garten hinaus und über den Rasen, springe über den Zaun und renne bis zur nächsten Hausecke, spähe auf die Straße vor unserem Hauseingang. Elke geht die Straße auf und ab und knabbert, wie so oft, wenn sie nervös ist, an ihren Fingernägeln. Mein Vater kommt aus dem Haus, und ich ziehe den Kopf ein, damit er mich nicht entdeckt. Als ich vorsichtig wieder zu ihm hinüberspähe, sehe ich, wie er zum Nachbarhaus rechts von unserem geht. Ich spurte los und laufe in die entgegengesetzte Richtung. Hier drüben wohnt Angelika; sie muss mir helfen. Sie muss.
    Ich läute, und sie macht mir die Tür auf. Auf einen Blick erkennt sie meine Verzweiflung und lässt mich ins Haus. »Kannst du mir bitte, bitte helfen«, flehe ich sie an und erkläre ihr alles.
    Angelika ist so alt wie meine Mutter, sie hat mir schon ein paarmal bei meinen Mathematikaufgaben geholfen. Und das ist es, was uns auf die Schnelle einfällt: Sie zieht die Mathebücher aus dem Regal und schlägt sie auf. Wir setzen uns an den Tisch und

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