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Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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Busfahrers, für den Fall, daß er als Zeuge benötigt würde. Die Information füllte eine Lücke im zeitlichen Ablauf der Ereignisse und bewies, daß er mit seinen Vermutungen recht gehabt hatte. Ein paar Minuten hatten über Leben und Tod eines Menschen entschieden. Wenn Johnny McGuire den Schuß in Hotchkiss’ Haus ein wenig später abgefeuert hätte, wenn nicht gerade im kritischen Moment der Bus gekommen wäre, wenn - wenn ... Tibbs kannte aus langjähriger Erfahrung solche Pechsträhnen, die alle Bemühungen der Polizei zunichte machten. Als er den Hörer auflegte, tat er es in der Hoffnung, daß ihm der nächste Anruf endlich mal eine gute Nachricht bringen würde. Sein Wunsch ging in Erfüllung: kaum eine Minute danach läutete das Telefon wieder. Er meldete sich und hielt den Atem an.
    »Mr. Tibbs«, sagte Maggie McGuire in Tränen aufgelöst, »ich habe von Johnny gehört!«
    Er wollte schon fragen: >Wo ist er?<, besann sich aber gerade noch rechtzeitig. »Geht es ihm soweit gut?« fragte er statt dessen.
    »Ja, ich glaube schon. Er rief mich an.«
    Tibbs machte seinem Partner ein Zeichen. Bob griff sofort nach seinem eigenen Telefonhörer, um mitzuhören. »Sagte er, wo er wäre, Mrs. McGuire?«
    Ein unterdrücktes Schluchzen kam durch die Leitung. »Nein. Ich fragte ihn danach, und er sagte so was ähnliches wie: >Ich bin hier in der Telefonzelle<. Das war alles.«
    »Was sagte er sonst noch, Mrs. McGuire?«
    Maggie schien die Frage nicht zu hören. »Ich weiß nicht, wo er gestern nacht geschlafen hat, und ob er was gegessen hat... Oh, Entschuldigung, haben Sie was gefragt?«
    »Erzählte Ihnen Johnny sonst noch was?«
    »Also, ich ging ans Telefon und hörte Johnnys Stimme. Er sagte: >Hallo, Mammi<. Einfach so - ich - ich brachte zuerst kein Wort heraus. Dann sagte er, glaube ich, >mir geht’s gut<, aber genau weiß ich’s nicht, mehr; ich war so durcheinander.«
    »Natürlich, Mrs. McGuire, das ist doch verständlich.«
    »Dann fragte ich ihn, wo er sei, und er sagte: >Hier in der Telefonzelle<. Danach sagte er irgendwas wie, ich sollte mir keine Sorgen machen, und ich sagte, glaube ich, daß ich sofort zu ihm kommen und ihn abholen würde. Dann erzählte er mir, daß sein Radio kaputt sei.«
    »Haben Sie ihn darüber beruhigt?«
    »Ja, ich sagte ihm, wir wüßten das schon, und sein Vater sei ihm nicht böse; wir wüßten, daß er nichts dafür könne. Dann erzählte Johnny, er habe auf einen Niggerjungen geschossen. Oh, verzeihen Sie!«
    Sie brach in Tränen aus. Virgil schwieg, gab ihr Zeit, sich zu beruhigen. Endlich sagte sie: »Es tut mir so leid, Mr. Tibbs. Ich hätte das Wort nicht benutzen dürfen. Ich wollte Sie nicht kränken.«
    »Schon gut, Mrs. McGuire, grämen Sie sich nicht, Sie haben auch so schon genug Kummer. Was sagte Johnny sonst noch?«
    Diesmal überlegte sie sich vorher jedes Wort. »Also, nachdem er mir erzählt hatte, daß er auf den farbigen Jungen geschossen habe, sagte ich zu ihm, es wäre mir egal, ob er ihn getötet habe, ich brauchte ihn, er möchte doch nach Hause...«
    Sie schien zu spüren, welche Wirkung ihre Worte auf ihren Gesprächspartner hatten, und unterbrach sich. Danach blieb es mehrere Sekunden lang still.
    »Mrs. McGuire«, fragte Virgil behutsam, »wissen Sie genau, daß Sie sich so ausgedrückt haben? Sagten Sie Ihrem Sohn, er habe den Jungen getötet?«
    »Ich - ich glaube, ja«, flüsterte sie.
    Tibbs verschlug es die Sprache. Er preßte die Finger um den Telefonhörer und holte tief Luft. Schließlich sagte er: »Das ist sehr bedauerlich, Mrs. McGuire. Solange Johnny glaubte, daß er den anderen Jungen nur verwundet hat, bestand eine gute Chance, daß er sich besinnen und von selbst nach Hause kommen würde. Jetzt hält er sich für einen Mörder. Natürlich ist er keiner, aber das begreift er nicht.«
    »Was - worauf wollen Sie hinaus?«
    »Auf folgendes, Mrs. McGuire: ich möchte Sie wirklich nicht noch mehr beunruhigen, aber weiß der Himmel, was Ihr Sohn in seiner Verzweiflung jetzt alles anrichtet!«

10. Kapitel

    Sobald Johnny McGuire den Telefonhörer aufgelegt hatte, merkte er, daß er am ganzen Körper zitterte, und daß ihn seine Beine kaum noch trugen. Den Schuhkarton unterm Arm, stolperte er aus dem Drugstore auf die Straße. Er war in Los Angeles, wußte aber nicht genau, wo. Plötzlich wurde ihm schlecht, und er dachte schon, er würde sich mitten auf dem Bürgersteig erbrechen.
    Er lehnte sich einen Augenblick lang an die Hauswand

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