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Nicht schießen, Johnny!

Nicht schießen, Johnny!

Titel: Nicht schießen, Johnny! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Ball
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nacht etwas auf, das mir zu denken gab.«
    Sein Partner war ihm einen Schritt voraus. »Du hast dich eben in die Rolle eines anderen versetzt. Ein Blick in sein Vorstrafenregister dürfte ganz interessant sein.«
    Virgil nickte. »Habe auch schon daran gedacht. Siehst du, der Revolver wurde gestern nacht zweimal abgefeuert, und zwar während des Handgemenges, als Johnny McGuire von dem größeren Jungen gepackt wurde. Ich hielt es für möglich, daß der größere Junge mit dem zweiten Schuß irgendwas zu tun gehabt haben könnte.«
    »War er je im Besitz der Waffe?«
    »Nein.«
    »Dann halte ich es, nach dem Experiment, das wir eben gemacht haben, für ausgeschlossen, Virg. Damit kämst du vor Gericht nicht durch, nicht mal mit dem Nachweis tödlicher Feindschaft.«
    Tibbs antwortete nicht; zu viele andere möglichen Erklärungen fuhren ihm durch den Kopf. Er zwang sich, vorerst nur über das Problem, das Johnny McGuire repräsentierte, nachzudenken. Sogar mit sechzehn Dollar in der Tasche konnte der Junge nicht weit kommen. Sämtliche Streifenwagen und Verkehrspolizisten in Pasadena, Sheriffs und Hilfssheriffs in den umliegenden Gemeinden waren inzwischen in die Fahndung eingeschaltet worden. Wenn alles mit rechten Dingen zuginge, müßte Johnny innerhalb der nächsten paar Stunden aufgegriffen werden, sofern ihn Heimweh und schlechtes Gewissen nicht von selbst nach Hause treiben. Das Vernünftigste war vermutlich, ruhig abzuwarten und das Beste zu hoffen.
    Dann sagte er sich, daß es damit nicht getan war. Die Zeitungen hatten inzwischen über die Affäre Johnny McGuire berichtet. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sich militante Gruppen der Black-Power-Bewegung des Falls bemächtigten und in Pasadena einen Aufruhr anzettelten.
    Er griff nach dem Telefonhörer, aber bevor er die Verbindung verlangen konnte, wurden ihm zwei Besucher gemeldet. Gleich darauf wurden Charles Dempsey und ein junges Negermädchen in sein Büro geführt. Dempsey begrüßte Nakamura und stellte dann seine Gefährtin vor. »Das ist Luella. Sie wollte unbedingt mitkommen.«
    Virgil stellte ihnen Stühle hin und forderte sie zum Sitzen auf. Das Mädchen folgte der Aufforderung, aber Dempsey wollte lieber stehen. »Ich möchte bloß fragen, ob’s was Neues gibt«, platzte er heraus. »Weil Sie nämlich Ärger kriegen werden, Mann, ’nen Haufen Ärger.«
    »Daran bin ich in meinem Job gewöhnt«, erwiderte Tibbs. »Was willst du mir erzählen?«
    »Also, nämlich Willie, der war mächtig beliebt, hatte massenhaft Freunde. Und ’ne Menge von den Burschen sind hinter dem weißen Jungen her, der ihn umlegte.«
    Tibbs wandte sich dem Mädchen zu. »Bist du derselben Meinung, Luella?«
    Sie dachte ein Weilchen über ihre Antwort nach. Sie war fünfzehn, wirkte aber älter; Tibbs fielen ihre üppigen Formen auf. Sie hatte eine schmale, gebogene Nase, eine schlanke Taille und hohe, volle Brüste. Als sie sprach, drückte sie sich gewandt aus. Man merkte ihr eine gewisse Bildung an. »Willie hatte eine große Zukunft vor sich, Mr. Tibbs. Er war klug, sah gut aus und war wirklich begabt. Er kam viel herum.«
    »Stimmt haargenau«, sagte Sport. »Und wenn einer von unseren Jungs den kleinen Weißen erwischt, ist was gefällig, kann ich Ihnen sagen.«
    »Und was sollte ich deiner Ansicht nach dagegen tun?« fragte Virgil.
    Dempsey reagierte sofort auf die Schmeichelei; er beugte sich über den Schreibtisch, um seinen Worten Nachdruck zu verleihen. »Also, falls Sie bekanntgeben würden, daß der Kleine im Loch sitzt, und daß kein schlauer Rechtsverdreher ihn so schnell wieder rausholt, würden sich unsere Leute gleich viel wohler fühlen. Sehen Sie, er hat keinen gewöhnlichen Jungen erschossen - Willie war ein Schwarzer. Sie wissen ja, was das heißt.«
    »Ich weiß.«
    »Also, was Sie vielleicht noch nicht wissen - unsere Leute sind gerade dabei, ’ne Versammlung unten im Brookside-Park zu organisieren. Und wenn die erst mal in Schwung kommt, wird’s bestimmt kein Picknick, darauf können Sie wetten.«
    Tibbs’ Gesicht straffte sich. »Ich möchte euch beiden eines klarmachen: euer Freund wurde von einem kleinen Jungen erschossen. Das entschuldigt die Tat nicht und macht sie nicht ungeschehen, aber ein Kind von neun Jahren ist für seine Handlungen nicht voll verantwortlich.«
    Das Mädchen nickte, Sport kniff mißtrauisch die Augen zusammen. »Das hört sich ja an, als ob Sie für den weißen Jungen sind. Auf welcher Seite sind Sie

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