Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
In Willow Creek gab es keine Geheimnisse. Aber mit einer so unverfrorenen Herausforderung - mitten im Tearoom der Junior League - hatte niemand gerechnet.
Ich merkte meiner Mutter an, wie verlegen sie war. Und obwohl ich es ignorieren wollte - ich konnte es nicht.
Gegen die überwältigenden Gefühle, die in mir aufstiegen, war ich machtlos.
In meiner Kindheit hatte ich manchmal ein rotes Badetuch aus dem Wäscheschrank genommen und um meine Schultern gelegt wie einen magischen Mantel. Damals hatte ich zum ersten Mal die Fähigkeiten gespürt, die ich besaß. Andere Kräfte als meine Mutter oder meine Schwester, aber immerhin eine gewisse Macht, in die ich mich gehüllt hatte.
Mit der Erinnerung an jenen albernen Mantel stand ich auf. »Habt ihr’s noch nicht gehört, Mädchen?«, fragte ich mit honigsüßem Texas-Akzent.
Nervös blickten sie über die anderen Tische hinweg, dann wandten sie sich wieder zu mir.
»Meine Mutter ist vollauf mit der Verwaltung des Wainwright-Vermögens und ihren diversen Wohlfahrtsaktivitäten beschäftigt. Deshalb werde ich in diesem Jahr den Debütantinnenball arrangieren.«
Nachdem sie sich von ihrer Verblüffung erholt hatten, wirkten sie eher erleichtert als besorgt. »Was? Du willst dich darum kümmern?«
Ich hörte ein Kichern, das mich in meinem Entschluss noch bestärkte. »Darauf freue ich mich ganz unbändig«, gurrte ich theatralisch. »Und ich kann euch gar nicht sagen, was ich in Boston von all den Mayflower-Nachfahren und ihren seriösen, vornehmen Debütantinnenbällen gelernt habe. Diese Erfahrungen will ich hier mit einbringen.« Natürlich wusste ich überhaupt nichts über die Bostoner Debütantinnenbälle. Dank der puritanischen Wurzeln, die diese Gesellschaftsschicht prägten, mussten
das furchtbar langweilige Feste sein. Doch das brauchten die Frauen im Tearoom nicht zu erfahren. »Sicher wird man unseren fabelhaften Ball in allen texanischen Medien erwähnen.«
Ja, ich weiß. Total verrückt. Oh, warum habe ich mich zu dieser idiotischen Angeberei hinreißen lassen? Wegen meiner stressigen Maskerade in Boston? Weil mich der Gedanke beunruhigte, ich müsste irgendwas vortäuschen, um Erfolge zu erzielen? Oder einfach nur, weil ich mich meinem dreißigsten Geburtstag näherte und jeden Morgen mit einem beklemmenden Tick-Tick-Tick in der Brust erwachte? Schwer zu sagen. Nur eins wusste ich: Ich ertrug es nicht, mit anzusehen, wie meine Mutter gedemütigt wurde. »In diesem Jahr soll der Debütantinnenball ein denkwürdiges Ereignis werden.« Ich lächelte fröhlich. »Mutter, Savannah, ich glaube, hier haben wir nichts mehr verloren.«
Ridgely und meine Schwester saßen am Tisch, umringt von den respektabelsten Damen von Willow Creek, und erweckten den Eindruck, jemand hätte auf sie geschossen. Ohne allzu große Mühe bugsierte ich sie zum Parkplatz hinaus, von einem aufgeregten Stimmengewirr verfolgt. Ernesto sprang aus dem Auto und rannte zur anderen Seite, um meiner Mutter die Beifahrertür aufzuhalten. Nachdem er einen kurzen Blick in ihr Gesicht geworfen hatte, japste er: »Was ist denn mit Ihrer Mama passiert?«
Ohne zu antworten, verfrachtete ich meine Mutter und meine Schwester in den Mercedes. Die Fahrt zum Wainwright House dauerte nur fünf Minuten, aber lange genug,
dass Ridgely ihre Fassung zurückgewann. Als Ernesto in die Zufahrt bog, wandte sie sich zu mir, und ich erwartete, sie würde meine Hände ergreifen und mir überschwänglich danken.
Stattdessen schüttelte sie den Kopf. »Hoffentlich hatte grand-mère noch alle Tassen im Schrank, als sie diesen Brief schrieb.«
»Das werde ich schaffen«, hörte ich mich verkünden. »Und ich werde großartige Arbeit leisten.«
»Mach dir bloß nichts vor, Liebes. Auf gesellschaftlicher Ebene hast du immer nur Fehlschläge erlitten. Aber vielleicht wird sich die Katastrophe diesmal in Grenzen halten, und wir finden Zeit, um uns bis zum nächsten Jahr neu zu formieren.«
»Mutter!«
»Nun, das meine ich ernst. Und ehrlich gesagt, es überrascht mich, dass du dich um den Ball kümmern willst. Bisher hast du dich nur für intellektuelle Dinge interessiert, zum Beispiel für Jura.«
»Genau das ist der Grund, warum ich diese Aufgabe übernehme.«
Damit überraschte ich mich selber ebenso wie Ridgely. Aber sobald ich die Worte ausgesprochen hatte, war mir klar, dass das die reine Wahrheit war. Wenn ich mir auch ein anderes Leben in Boston aufgebaut hatte - weder Jack Blair noch sonst jemand
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