Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
attraktive äußere Erscheinung vermuten ließ. Deshalb merkte er sofort, dass irgendwas nicht stimmte, machte auf dem Absatz kehrt und versuchte zu flüchten.
»Bleib sofort stehen, Henry Herbert Cushing!«, befahl meine Mutter.
Widerstrebend gehorchte er und ließ den Kopf hängen. Bevor er sich zu ihr umdrehte, hörte ich ihn leise seufzen. »Was gibt’s?«
Ridgely wechselte blitzschnell von der strengen Mutter zur enthusiastischen Großmutter über. »Stell dir vor, Morgan will auf unserem Ball debütieren. Und Janice wird zusammen mit Carlisle das Organisationskomitee bilden. Sind das nicht wundervolle Neuigkeiten?«
»Was?« Ungläubig starrte er erst seine Tochter an, dann seine Frau. »Damit bist du einverstanden?«
»Natürlich nicht.«
Morgan reckte triumphierend ihr Kinn vor, als wollte sie sagen: Da siehst du, was für einen Unsinn du immer redest, Mom.
Hilf mir, schien Janice meinem Bruder verzweifelt zu signalisieren. Sag nein!
Henry wandte sich zu mir, musterte mich prüfend und
warf unserer Mutter einen scharfen Blick zu. Schließlich brach er in Gelächter aus. »Verdammt noch mal, das wird ja noch besser als das Feuerwerk beim Picknick am vierten Juli!« Er schlenderte zur Kaffeekanne, und Lupe reichte ihm eine Tasse. »Ah, die schöne Lupe«, neckte er sie und nahm die Tasse entgegen.
Als er sich umdrehte, stand seine Frau direkt hinter ihm. Verblüfft zuckte er zusammen und hätte sie beinahe mit Kaffee bespritzt.
So leicht gab sich Janice Josephine Reager nicht geschlagen. »Schätzchen …« Ihr Lächeln glich eher einem Zähnefletschen. »Also hast du nichts dagegen, dass unsere Tochter in aller Öffentlichkeit vorgeführt wird, herausgeputzt wie eine Kuh bei einer Viehversteigerung …«
»Mom!«
»… und dass ich ihr dabei auch noch helfe?«
»Großer Gott, Janice!«, fauchte meine Mutter. »Das ist keine Versteigerung! Auf unserem traditionsreichen Debütantinnenball versuchen wir, das Selbstvertrauen junger Mädchen zu stärken. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Vergiss es, Omama«, sagte Morgan zu meiner Mutter, die arrogant die Brauen hob. »Mom wird auf keinen Fall Ja sagen. Das wusste ich - sie ist eine Heuchlerin. Klar, ich soll immer tun, was ich will. Aber nur, wenn sie’s auch will.« Wie eine Zweijährige knallte Morgan ihre Tasse auf die Granittheke und verschüttete den Kaffee.
Beinahe hörte ich die Rädchen in Janices feministischem Gehirn surren, während sie hektisch nach pulitzerpreis-würdigen Argumenten suchte, um ihrer widerspenstigen
Tochter Vernunft beizubringen. Und dann überraschte sie uns alle. »Du hast recht, Morgan.«
Ach, tatsächlich?
Aber als ich meine Schwägerin etwas genauer betrachtete, merkte ich’s - sie hatte eine Trumpfkarte im Ärmel.
»Gewiss, ich habe mich heuchlerisch verhalten«, gab sie zu. »Wenn’s dir Spaß macht, darfst du auf diesem Ball debütieren. Und ich werde dem Komitee angehören, so wie Oma es wünscht.« Nach kurzem Zögern fuhr sie fort, die Stirn in übertriebenem Ernst gerunzelt: »Ich begleite dich zum Frisör, damit deine Haare wieder ihre natürliche Farbe annehmen. Und wir lassen die Ringe aus deinen Ohren und deiner Oberlippe entfernen. Wie fantastisch du aussehen wirst!« Sogar mich beeindruckte sie mit ihrem vorgetäuschten Enthusiasmus. »Natürlich wirst du deine Fingernägel nicht mehr orangegelb lackieren und diese grellbunten Kleider nie mehr anziehen. Oh, es wird einfach großartig!«
»Was?«
»Glaubst du etwa, man gestattet dir in dieser lilienwei ßen Welt der Debütantinnen, wie ein farbenfroher Rorschach-Tintenkleckstest auszusehen, meine Süße?«
Damit hatte meine Nichte offensichtlich nicht gerechnet. Ihr Gesicht verzerrte sich vor Wut.
Eins zu null für Janice.
Morgan fuhr zu meiner Mutter herum, die ihr salbungsvoll zunickte. »Ja, Liebes, von jetzt an musst du dich etwas anders zurechtmachen.«
Nun war es an Janice, selbstgefällig zu grinsen.
Mutter und Tochter starrten sich in der Wainwright-Küche
an, und ich erkannte, dass meine Schwägerin die perfekte Methode gefunden hatte, um ihren Willen durchzusetzen. Das sah auch Morgan ein.
Und Morgan war sicher nicht dumm. Der Teenager auf der Schwelle zur erwachsenen Frau (oder eher: zur echten Lady) holte tief Atem und verkündete mit Grace-Kelly-Aplomb: »Dieses Orangegelb hatte ich ohnehin satt. Ja, auf diesem Ball will ich debütieren.« Ihre Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen. »Und ich werde die verdammt noch
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