Nicht schon wieder Champagner! - The Ex-Debutante
vielleicht sollte ich sie mal einladen … Was halten Sie davon?«
»Warum wollen Sie sich mit India anfreunden?«
»Weil sie mich mag. Sie versucht, mir zu helfen.«
Seufzend schüttelte ich den Kopf. »Das bezweifle ich. India hat ihre eigenen Probleme.«
»Was - India? Probleme? Sicher nicht.«
»Doch. Wir wissen nur nicht, was ihr so zusetzt.« Offen
gestanden, das ahnte ich sehr wohl. Schon immer habe ich versucht, einem Wort oder einer Geste die wahre Bedeutung zu entnehmen, weil ich glaube, Katastrophen verhindern zu können, wenn ich die Gedanken eines Menschen errate. Nicht dass es jemals funktioniert hätte. Stattdessen bereiten mir solche Bemühungen nur unnötige Sorgen. Aber es ist schwierig, alte Gewohnheiten abzulegen.
Und so vermutete ich, hinter Indias Gerede und ihrem Lächeln würde sich ein unglückliches kleines Mädchen verbergen, das sich vor allem die Aufmerksamkeit seines Vaters wünschte. Um ihr Ziel zu erreichen, trieb sie sich mit Jungs herum (falls die Gerüche stimmten) und führte sich unmöglich auf. Und sie prahlte ständig, ihr Dad, der nur sehr wenig Zeit daheim verbrachte, würde sie vergöttern.
»Warum wäre sie denn sonst so gemein zu allen Leuten?«, fragte ich.
»Das ist sie nicht. Im Flugzeug wollte sie mir helfen, Sie haben’s sicher gehört, Miss Cushing. Da war ich einfach nur zu empfindlich.«
»Nein, Betty, eine innere Stimme hat Sie ermahnt: ›Lauf weg, lass dich nicht beleidigen und von einem honigsüßen Lächeln umgarnen - von der Behauptung, India würde es nur gut mit dir meinen.‹ Blanker Unsinn!«
Skeptisch runzelte sie die Stirn. »Ich habe nur gefragt, was Sie davon halten.«
Weil sie so niedergeschlagen dreinschaute, versuchte ich sie aufzuheitern. »Wie laufen die Vorbereitungen für Ihre Party?«
»Da haben wir noch gar nichts geplant.«
»Nun, die Party wird ja erst Ende des Monats stattfinden. Also haben Sie noch genug Zeit. Außerdem würden die Einladungen bei Pearl’s Paperie am Willow Creek Square innerhalb von vierundzwanzig Stunden gedruckt werden.«
»Aber Mama und ich können uns auf nichts einigen. Sie stellt sich ein Volkstanzfest im hinteren Garten vor. Ein Volkstanzfest! Natürlich habe ich ihr erklärt, dass das India gar nicht gefallen werde. Da wurde Mama sauer und schrie, es sei ihr egal, was India denken würde.«
Was ich Merrily nicht verübeln konnte.
»Und ich will auch kein Volkstanzfest«, fuhr Betty fort. »Damit würde ich mich lächerlich machen. Nur Irre mögen Volkstänze.«
»Regen Sie sich nicht auf. Sicher werden Sie zusammen mit Ihrer Mutter etwas anderes finden.«
»Was denn?«
»Mal sehen - was für eine Party wünschen Sie sich denn?« Ich nahm an, ihr würde ein glanzvolles Event wie die New Yorker Fete vorschweben oder ein texanisches Spektakel, wie es Tiki und Abby veranstaltet hatten. Sa ßen meine Mutter und Janice nicht gerade in der Küche, um beides zu übertrumpfen?
Betty klatschte wie Dorothy aus Der Zauberer von Oz in die Hände. »Am liebsten wäre mir eine Teeparty im englischen Stil. Vornehm und elegant.« Resigniert ließ sie die Arme sinken. »Aber Mama versteht nichts von Klasse und Eleganz. Bei ihr muss es immer sittsam und prüde zugehen.«
»Sagen Sie so was nicht, Betty.« Sogar ich merkte, dass ich wie eine typische ahnungslose Erwachsene daherredete, und zerbrach mir den Kopf auf der Suche nach einem hilfreichen Vorschlag. Doch es war mir schon immer schwergefallen, mit Müttern umzugehen, besonders mit starken Persönlichkeiten. »Erzählen Sie Ihrer Mom einfach, was Sie möchten und was Sie denken.« Ja, das klang genau richtig, und ich war ein bisschen stolz, weil ich mich so gut in die Seelen junger Mädchen hineinfühlen konnte. »Sicher wird sie Ihren Wunsch erfüllen, sobald sie Bescheid weiß. Vielleicht sollten Sie die Party im Brightlee oder im Clubhaus organisieren.«
»Meinen Sie wirklich?«
»O ja.« Eine Teeparty würde das gehobene Flair erzeugen, das diese Debütantinnensaison so dringend brauchte. »Laufen Sie nach Hause und sprechen Sie mit Ihrer Mom. Wenn ich Ihnen helfen soll, sie zu überzeugen, rufen Sie mich an.«
Wie im Flug verstrichen zwei Wochen, angefüllt mit Einladungen, Partys und letzten Vorbereitungen. Eines Morgens erwachte ich und merkte, dass ich das alles genoss. Bisher war ich viel zu sehr mit meiner Angst beschäftigt gewesen, irgendetwas würde schiefgehen. Und plötzlich machte mir der Trubel einfach nur Spaß.
Die nächste
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