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Nicht so laut vor Jericho

Nicht so laut vor Jericho

Titel: Nicht so laut vor Jericho Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ephraim Kishon
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gedacht. Das ist ja auch einer meiner
    stärksten Augenblicke. Dov Schlufer in den ›Nachrichten‹ vertritt die Meinung, daß mir da die perfekte Transparenz eines Nihilisten geglückt ist, der das Göttliche in sich selbst entdeckt. Sie erinnern sich, wie ich am Schluß dieser Szene halb torkelnd und halb aufrecht unter dem Tisch hervorkrieche?«
    »Ich erinnere mich. Da waren Sie tatsächlich ganz groß, Herr Podmanitzki! Wie Sie da mit weit aufgerissenen, fragenden Augen in die grausame Unendlichkeit starren und schweigen…«
    »Das habe ich nur bei der Premiere gemacht. Ich hatte den Text vergessen und starrte in den Souffleurkasten um Hilfe. Von der zweiten Vorstellung an sagte ich wörtlich das, was ich zu sagen habe: ›Nur die Toten sind lebendig, Rappaport!‹ sage ich und gehe ab. Bei der Samstag-Nachmittagvorstellung bekomme ich an dieser Stelle immer Szenenapplaus.«
    »Was wollen Sie damit eigentlich sagen, Herr Podmanitzki?«
    »Daß die Leute in die Hände klatschen, weil –«
    »Nein, ich meine: mit dem Satz von den Toten.«
    »Fragen Sie den Autor. Ich bin für diesen Blödsinn nicht verantwortlich. Zuerst haben wir’s für einen Druckfehler gehalten, aber dann hat der Regisseur im Original nachgeschaut, und dort steht’s auch. Boulanger hat mich gebeten, den Satz mit einem philosophischen Unterton zu sprechen, vom Fußboden halbhoch hinauf, den Blick starr in den Zuschauerraum gerichtet. Sein Regieeinfall, daß ich während des Hinauskriechens ausspucken soll, hat sehr gut gewirkt. Tamar Blumenfeld schreibt, daß sich hier die Kontaktlosigkeit der menschlichen Seele manifestiert. Das trifft genau, was ich mir die ganze Zeit über Boulanger gedacht habe. Ich kann mit diesem Mann nicht arbeiten. Entschuldigen Sie, es ist 12 Uhr 30.«
    Jarden Podmanitzki zog aus der Tasche ein kleines Transistorgerät hervor, stellte es auf den Tisch und lauschte hingebungsvoll der wöchentlichen Theater-Rückschau. Als der Rundfunksprecher ihn lobend erwähnte, füllten sich seine Augen mit Tränen. Man merkte ihm an, daß er den Satz am liebsten auf Band aufgenommen hätte: »Jarden Podmanitzki als hinkender Witwer offenbarte besonders in seinem stummen Spiel den unerschütterlichen Optimismus einer Lebensverneinung, die nichts von sich weiß und eben darum jeder menschlichen Regung, die von außen her auf sie zukommt, ein verinnerlichtes Crescendo auftut…«
     
     

Ein weitblickender Theaterleiter
     
     
    In unseren Tagen der Mondflüge und der Theaterkrisen hat der technische Fortschritt ein neues Ergebnis gezeitigt: die ferngesteuerte Theaterkritik.
     
    »Dort läuft Kunstetter! Sehen Sie ihn? Vor fünf Minuten ist der Vorhang gefallen, und schon saust er zum Telefon, um seine Kritik durchzugeben. Er wird wieder der einzige sein, der noch den Redaktionsschluß für die Morgenausgabe erreicht.«
    »Machen Sie sich Sorgen?«
    »Keine Spur. Er wird uns eine phantastische Kritik schreiben.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Hundertprozentig.«
    »War die Vorstellung denn so gut?«
    »Welche Vorstellung?«
    »Nun, Ihre Premiere. Die Aufführung, über die Kunstetter schreiben wird?«
    »Was hat die Aufführung mit der Kritik zu tun?«
    »Ich dachte… vielleicht…«
    »Machen Sie sich nicht lächerlich. Die Zeiten, in denen ein Theaterdirektor für gute Vorstellungen sorgen mußte, sind längst vorbei. Heute, im Zeitalter der ferngesteuerten Kritik, zählt nur noch eiskalte, genau berechnende Überlegung.«
    »Ich verstehe Sie nicht. Was meinen Sie mit Überlegung?«
    »Ich meine zum Beispiel die Wahl des Stückes. Warum, glauben Sie, habe ich diesmal eine rumänische Tragödie aus dem 13. Jahrhundert gewählt?«
    »Weil Kunstetter…?«
    »Richtig. Weil Kunstetter Präsident der Rumänisch-Israelischen Freundschaftsgesellschaft ist.«
    »Und das sichert Ihnen eine gute Kritik?«
    »Nicht unbedingt. Von Zeit zu Zeit will er seinen Lesern beweisen, daß er ungeachtet seiner Präsidentschaft auch der rumänischen Kunst gegenüber objektiv bleibt, und dann ist alles möglich.«
    »Sie müssen sich also doch Sorgen machen?«
    »Nein. Denn ich vertraue nicht dem blinden Zufall, sondern meiner Weitsicht. Ich kann warten. Vor zwei Monaten hat bei uns eine rumänische Tanzgruppe gastiert. Sie wurde von Kunstetter fürchterlich verrissen. Jetzt, dachte ich mir, ist es soweit. Jetzt kann ich ruhig mit einem rumänischen Stück herauskommen, ohne daß mir von Kunstetter Gefahr droht. Zweimal hintereinander wird er nicht auf

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