Nicht tot genug 14
äußerster Sorge zu befinden.«
»Warum war er denn hier?«
»Das ist es ja gerade. Er hatte eine infizierte Wunde an der Hand.«
Plötzlich war Grace ganz Ohr. »Woher stammte die Verletzung?«
»Er sagte, er habe sich die Hand an einer Tür geklemmt, aber für meine Begriffe sah es ganz und gar nicht danach aus.«
»An einer Tür?« Grace musste an Bishops Erklärung mit dem Taxi denken.
»Ja.«
»Wie sah es denn für Sie aus?«
»Wie eine Bisswunde. Vermutlich verursacht durch menschliche Zähne. Es gab am Handgelenk und unterhalb des Daumens deutliche Spuren.«
»Wenn man sich die Hand einklemmt, sind die Spuren auch auf beiden Seiten zu sehen.«
»Das schon, aber sie sind nicht gebogen«, erklärte der Arzt. »Bei ihm verliefen sie halbkreisförmig, wie bei einem menschlichen Gebiss. Und es gab punktuelle Verletzungen von unterschiedlicher Tiefe, die auf Zähne hindeuten.«
»Aber wie kommen Sie ausgerechnet auf menschliche Zähne? Könnte der Biss nicht von einem Tier stammen, einem großen Hund vielleicht?«
Der Arzt wurde rot. »Ehrlich gesagt, ich lese wahnsinnig gerne Krimis, vor allem, wenn es um Forensik geht. Ich schaue mir auch Fernsehserien wie CSI an.« Sein Pager piepste, doch er sprach weiter. »Ich habe eine weitere Schlussfolgerung gezogen.« Er warf einen gestressten Blick auf den Pager und überflog die Nachricht. »Warum hätte er es abstreiten sollen, wenn es sich um einen Hundebiss gehandelt hätte? Wenn ihm ein Mensch diesen Biss bei einem Angriff zugefügt hat, sieht die Sache natürlich anders aus. Als ich dann den Artikel über den furchtbaren Mord an der jungen Frau las, habe ich zwei und zwei zusammengezählt.«
Grace lächelte. »Sie würden einen guten Detektiv abgeben! Dennoch ist das nicht so einfach. Können Sie mir den Mann beschreiben?«
»Selbstverständlich. Etwa 1,80 m, sehr schlank, ziemlich langes braunes Haar, dunkle Brille und dichter Bart. Sein Gesicht war kaum zu erkennen. Er trug eine blaue Leinenjacke, ein cremefarbenes Hemd, Jeans und Turnschuhe. Wirkte ein bisschen schmuddelig.«
Grace war enttäuscht, denn das hörte sich gar nicht nach Bishop an, außer natürlich, er hatte sich sorgfältig getarnt. »Würden Sie ihn wieder erkennen?«
»Auf jeden Fall!«
»Kann es sein, dass dieser Mann von einer Überwachungskamera gefilmt wurde?«
»In der Notaufnahme haben wir jedenfalls eine.«
Grace bedankte sich, notierte Namen und Rufnummern des Arztes und machte sich auf die Suche nach dem Kontrollraum des Krankenhauses. Im Gehen überprüfte er seine E-Mails.
Dick Pope hatte sich auf das Foto hin gemeldet, das Grace ihm geschickt hatte. Als er die Nachricht las, blieb er abrupt stehen.
Roy, das ist nicht die Frau, die Lesley und ich letzte Woche gesehen haben. Wir sind wirklich davon überzeugt, dass es Sandy war. Gruß. Dick
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ES WAR FAST HALB VIER , als Nadiuska De Sancha die Autopsie abgeschlossen und zusammen mit DCI Duigan das Leichenschauhaus verlassen hatte.
Aufgrund der Strangmarke am Hals von Sophie Harrington und der punktförmigen Blutungen in den Augen war die Pathologin zu dem Schluss gelangt, dass die junge Frau erdrosselt worden war. Allerdings musste sie noch die Untersuchungsergebnisse von Blut und Mageninhalt abwarten. Außerdem hatte sie Flüssigkeitsproben aus der Blase entnommen, um andere denkbare Todesursachen auszuschließen. Das in der Vagina gefundene Sperma deutete auf eine Vergewaltigung vor oder nach dem Tod hin.
Cleo und Darren hatten noch einige Stunden Arbeit vor sich. Die Autopsie der unbekannten Toten vom Strand stand noch an, ebenso die Untersuchung des sechsjährigen Mädchens, das am Samstag bei einem Autounfall gestorben war. Außerdem mussten sie vier weitere Leichen untersuchen, darunter die eines 47-jährigen HIV-positiven Mannes in einem speziell dafür vorgesehenen isolierten Raum.
Die Eltern des kleinen Mädchens waren am Vortag und auch heute noch einmal da gewesen, und Cleo hatte mit ihnen gesprochen. Daran hatte sie noch immer zu knabbern.
Die weniger aufwändigen Autopsien wurden von Dr. Nigel Churchman, dem örtlichen Pathologen, durchgeführt, der in etwa einer halben Stunde eintreffen sollte. Christopher Ghent, der Zahnforensiker, der bei der Identifizierung der unbekannten Frau helfen sollte, saß mit einer Tasse Tee im Büro und wurde allmählich ungeduldig.
Cleo und Darren holten die Frauenleiche aus dem Kühlfach und wickelten sie aus. Sofort verbreitete sich wieder der
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