Nicht von dieser Welt
Herz stehen: Ben hat es tatsächlich geschafft, einen Stuhl an die Ablage zu schieben, um endlich an seinen geliebten Teig zu gelangen. Er balanciert dort am Rande des Abgrunds, hat beide Hände voll mit dem Zeug und strahlt über das ganze verschmierte Gesicht: „Mhm. Lecker!“
Der Marmorkuchen wird dann eben nur halb so groß wie geplant. Während ich Ben reinige, lasse ich Malo sämtliche Luftballons aufpusten, so dass er wenigstens nicht mit Konstantin reden kann. Als dann schließlich die ersten Gäste kommen, bin ich immer noch ungeschminkt. Aber das ist mein geringstes Problem. Die Mamis machen große Augen angesichts meines attraktiven Chefs. Natürlich wollen meine ehemaligen Kolleginnen (die größtenteils Mütter und ohne Arbeit sind) alles über die „Müller Film- und Fernsehproduktion“ wissen. Malo ist Gott sei Dank klug genug, sich aufopfernd um die Kinder zu kümmern, wodurch er um die meisten Unterhaltungen herumkommt. Aber meine beste Freundin Anja, die als Einzige keine Mutter ist und der es dementsprechend am Arsch vorbeigeht, wie rührend er sich um die Kleinen kümmert, hakt immer weiter nach. Ihr geht es allerdings weniger um die Firma als darum, Malos Beziehungsstatus herauszufinden. Das geht dann so: „Hatten Sie denn vorher schon eine Produktionsfirma in Berlin?“
„Nein, ich bin erst seit ein paar Monaten in der Stadt! … Guck mal, die Eisenbahn!“
„Ei-sen-baaaaaahn!“
„Ah. Wo waren Sie denn vorher?“
„Weit weg. Kennen Sie nicht. … Soll der Polizist mit der Eisenbahn fahren?“
„Dann sind Sie also mit Ihrer Familie gerade erst hergezogen?“
„Ich bin alleinstehend.“
„Poli-ei Ei-sen-baaahn fahren!“
„Oh. Ach so …“
Ab da bekommt Anja dieses warme Timbre in ihrer Stimme, das ich nur zu gut kenne. Es machte mir Sorgen. Anja kann sehr hartnäckig sein!
„Haben Sie denn jemanden, der Ihnen die Stadt zeigt?“
„Vanessa erklärt mir alles, was ich wissen muss.“
„Arm nehmen!“ (Das ist Ben, obwohl ich dieses Bedürfnis teile.)
„Vanessa … Ach so.“
Anja schaut zu mir. In ihrem Gesicht sehe ich, wie es rattert. Derweil nimmt Malo Ben auf den Arm. Ich kann förmlich zusehen, wie Anja die Bausteine zusammensetzt: Sie hat mir vor ein paar Wochen für einen Abend ein Alibi gegeben. Ohne je zu fragen, worum es dabei ging. Nun ist da dieser Mann, den ich (aus Panik!) nicht aus den Augen lasse. Der aus dem Nichts kommend plötzlich mein Chef ist und sich merkwürdig verschlossen gibt. Bevor es bei Anja „Klick“ macht, erlöst mich Ben.
Nein, es war nicht der Teig schuld. Zumindest nicht allein. Wir waren gestern Nachmittag beim Kinderarzt, der Streptokokken diagnostiziert hat, weswegen Ben heute auch nicht im Kindergarten ist und ich nicht bei der Arbeit. Auf jeden Fall übergibt sich Ben zum zweiten Mal innerhalb von wenigen Tagen auf Malos Hemd und Jackett. Man kann den Kuchenteig noch ganz gut erkennen. Die Party ist natürlich gelaufen. Was zwar schade für Ben ist, aber ich bin erleichtert. Denn Malo lehnt die (gerade erst gereinigten) Sachen von Konstantin ab und will relativ bald gehen. Konstantin ist wirklich zerknirscht und hat Angst um meinen Job. Beim Rausgehen beruhigt ihn Malo: „Kein Problem. Ich habe selbst Kinder! Ich kenne das!“
Damit ist er weg. Und ich bin neben aller Erleichterung und Sorge um Ben etwas irritiert. Natürlich konnte das auch nur so ein Spruch sein mit den Kindern. Im Rahmen seiner Legende. Aber Anja hatte er im Rahmen derselben Legende gerade noch erzählt, er sei alleinstehend. Vor allem: Es klang sehr aufrichtig. Hat er wirklich Kinder? Ich stelle mal wieder fest: Ich weiß nichts über diese Mann vom anderen Stern!
Theater
Veröffentlicht am Donnerstag, 10. November 2011 – 21:34
Gestern gab es in Bens Kindergarten ein Puppentheater. Die großen Kinder hatten über Wochen ein kleines Stück einstudiert, Puppen und Kulissen gebastelt und nun war der große Tag gekommen, an dem ein Raum voller Kinder und Eltern das Stück vorgeführt bekommen sollte. Konstantin hatte sich extra den Nachmittag frei genommen, um bei dieser Gelegenheit endlich auch einmal Bens Kita sehen zu können. Mir brummte schon wieder der Schädel, denn ich hatte gleich einen ganzen Sack voller Probleme.
Erstens: Ben war ja eigentlich krank. Aber da er wieder fit wirkte und laut Arzt nicht mehr ansteckend war, durfte er zumindest am Nachmittag zu der Theatervorstellung mit in den Kindergarten. Was ihn verwirrte und besonders
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