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Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)

Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition)

Titel: Nicht von schlechten Eltern - Meine Hartz-IV-Familie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Undine Zimmer
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um nicht zu hungern. Mehl, aus dem mit einem Päckchen Hefe für neunzehn Cent ein Brot oder Pizzateig werden kann, Kartoffeln, Nudeln, Reis, die mit Möhren, Linsen und Joghurt kombiniert werden können. Ich kann eine wunderbare Mahlzeit aus Resten kochen: eine Möhre, eine Tasse Bulgur, eine Paprika, Zwiebel. Schon wird daraus eine gefüllte Paprika.
    Trotzdem habe ich nach einer Stunde schon wieder Appetit. Er lässt alles wieder vor meinem geistigen Auge erscheinen, was ich nicht gekauft habe. An diese Art von unersättlichem Appetit und an die paar Euro, von denen das Essen für die nächsten zwei Tage gekauft werden musste, kann ich mich nur zu gut erinnern. So war es früher oft. Nur hat damals meistens meine Mutter gerechnet.
    *
    Einkaufszettel. Was wir immer zu Hause hatten, waren Zwieback, Haferflocken, Spaghetti, Mehl, Äpfel, Pfefferminzbonbons, den abgepackten Gouda von Aldi, Gurke und Tomaten, Ovomaltine, Kräuterstreichkäse und das Sonnenblumenkernbrot für mein Schulbrot, eine Zeitlang die Knoblauchsalami von Aldi, Zwiebeln und Kartoffeln, Rotkohl, Möhren und Erbsen im Glas, oft Spinat und Buttergemüse tiefgefroren, Sauerkraut und den Magerquark für meine Mutter, Frischkäse für mich. Salmiakpastillen hatte meine Mutter meistens für Erkältung oder mal zum Lutschen auf Vorrat.
    Am Anfang des Monats kauften wir mit der Rolltasche bei Aldi mehrere Tafeln Schokolade, mal Schokoküsse, vielleicht eine Prinzenrolle, eine Packung Haribo oder Lakritzschnecken. Im Winter hatte meine Mutter immer Fenchelhonig oder Vitaminsaft für mich zur Stärkung der Abwehrkräfte. Nach dem Großeinkauf am Anfang des Monats wurde in den nächsten Wochen nur noch das Notwendigste nachgekauft. Die letzte Woche im Monat war dann eben etwas karg, die Kekskrümel knisterten in den leeren Dosen, wenn man sie hin und her bewegte.
    Typische Gerichte bei uns waren Spaghetti mit Würstchen, Ketchup und Käse, Spaghetti mit Käsesoße oder Spaghetti mit Butter, Salz, Tomatenmark und Käse. Als wir noch einen Fernseher hatten, haben wir uns am Freitagabend etwas Besonderes zum Auftakt des Wochenendes gegönnt. Manchmal kauften wir eine Tiefkühlpizza, Spinat oder Margherita, die wir dann noch extra belegten mit Zwiebeln, Käse und Gewürzen. Essen durfte ich sie vorm Fernseher zu einer der Serien, die man damals schaute. Oder wir haben eine unserer Lieblingsopern aufgelegt, »Carmen« von George Bizet oder den »Troubadour« von Giuseppe Verdi, wenn es nach mir ging.
    Kleine Haferflockenkunde. Für eine bestimmte Sorte Vielkornschmelzflocken als Babynahrung ist meine Mutter früher zwei Bezirke weiter gefahren, um sie für uns zu bunkern. Dass das Geld immer irgendwie gereicht hat, haben wir ihrer Disziplin und Köllns Haferflocken zu verdanken. »Das sind die Besten«, sagt sie – was auch immer an diesen Haferflocken besser sein mochte als an anderen. Aber meine Mutter ist gelernte Krankenschwester und kennt sich aus mit Ernährung. Sie weiß, dass die Nährstoffe direkt unter der Schale sind und die Herstellung schonend sein muss. Es gibt da ein paar Marken, die sie noch aus ihrer Kindheit kennt und denen sie wegen der Qualität vertraut. Köllns Haferflocken gehören dazu, Brandts Zwieback und Gläschenkost von Hipp und wenn es um Seife geht, Palmolive, seit ihr Stiefvater, der Seemann, das Motorenöl nur mit Palmolive von seinen Händen entfernen konnte. Manche Marken sind wie vertraute Bekannte. Von denen trennt man sich ungern.
    Haferflocken sind die perfekte Notfallnahrung. Sie machen satt und enthalten Vitamin B1, B6 und E, Zink, Eisen und Calcium, Ballaststoffe und ungesättigte Fettsäuren. Hatten wir zu viel ausgegeben, galt unser Versprechen: »In den nächsten Tagen essen wir nur Haferbrei.« Daran hat sich von uns beiden, glaube ich, nur meine Mutter gehalten.
    Wenn ich anderen von dem vielen Haferbrei erzähle, dann sind die Reaktionen fast immer abwehrend. »Iiiiih, Haferbrei«, sagen die meisten und denken dabei an eine schleimige Masse, die sich nicht mit einem Frühstücksbrötchen vergleichen lässt. Warum der Haferbrei in Deutschland so schlecht angesehen ist, müsste man eigentlich mal ergründen. In England, Schweden und Dänemark hat er einen ganz anderen Status. Dort sind die Packungen für Haferflocken auch dreimal größer als hier. Man isst ihn mit Milch und Zucker oder mit Mandeln, Rosinen, Honig oder mit Marmelade. Meine Mutter hat ihn manchmal mit einer zerquetschten Banane gemischt. Aber

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