Nicht warten - starten
wollte sich damit nicht abfinden. Vielleicht hatten depressive Menschen ja doch ausreichend Motivation, positive Veränderungen in ihrem Leben vorzunehmen, vielleicht fehlte ihnen nur der Zugang zu ihrer Motivation. Um das herauszufinden, ließ er 577 unter einer leichten Form der Depression leidende Menschen einen Online-Fragebogen dazu ausfüllen. Eine der Fragen war, was sie gerne tun würden, beziehungsweise was ihnen gefallen könnte, wenn sie nicht unter Depressionen litten.
Die Teilnehmer der Studie hatten sich selbst ausnahmslos als passiv und sehr von der Außenwelt zurückgezogen beschrieben. Es mangelte ihnen nach eigenem Bekunden an der Kraft oder Motivation, außer Haus zu gehen und Spaß zu haben. Außerdem waren sie traurig und verzweifelt, weil sie sich so schwach fühlten. Seligman bat sie, eine Woche lang ein Tagesprotokoll zu führen – aber nicht über Dinge, die sie taten oder bereits vorhatten. Sie sollten einfach aufschreiben, was sie gerne tun würden, wenn sie mehr Energie hätten.
Ist Ihnen aufgefallen, dass Seligman auf diese Weise eine Situation erzeugte, die die Aufmerksamkeit der Teilnehmer gezielt von der Frage nach dem Wie (»Wie kann ich Spaß haben, wenn ich so erschöpft bin?«) weglenkte. Denn die Frage nach dem Wie hätte die Probanden vor allem dazu gebracht, sich auf die Gründe für ihre Unfähigkeit zu konzentrieren. Stattdessenversuchte Seligman den Menschen einen Zugang zu ihrer Motivation zu eröffnen, indem er sie aufforderte, sich darauf zu konzentrieren, was sie gerne tun würden, beziehungsweise was ihnen gefallen könnte. (Wie Sie in Kapitel 3 sehen werden, gehören Möglichkeitsformen wie könnte oder würde zu den hilfreichsten Vokabeln im Instant-Influence-Wörterbuch.)
Erstaunlicherweise reichte bereits die Aufforderung, das aufzuschreiben, was ihnen gefallen könnte, aus, den depressiven Menschen die Augen für ihre Motivation zu öffnen. Nachdem sie nur eine Woche lang über ihre potenziellen Wünsche Buch geführt hatten, beschrieben sich die Studienteilnehmer als aktiver, glücklicher und weniger depressiv.
Die kognitive Dissonanz auflösen
Das dritte Prinzip von Instant Influence lautet: »Der Fokus auf jedes noch so kleine bisschen Motivation ist effektiver als Fragen, die den Widerstand thematisieren.« Dieses Prinzip basiert auf der Arbeit des Sozialpsychologen Leon Festinger, der 1957 den Begriff der kognitiven Dissonanz prägte. Festinger erkannte, dass wir oft zwei einander widersprechende beziehungsweise dissonante Vorstellungen darüber haben, wer wir sind. 8 Wir glauben zum Beispiel, dass wir depressiv und unmotiviert sind, hören uns dann aber zum Beispiel sagen: »Wenn ich nicht so deprimiert wäre, würde ich ins Kino gehen« oder: »Wenn ich mich nur aufraffen könnte, würde ich mich mit Sarah auf einen Kaffee treffen.« Wie können wir diesen Widerspruch zwischen unseren Aussagen über uns selbst und unserem Verhalten auflösen? Eine Möglichkeit wäre, einfach aus dem Haus zu gehen und etwas zu tun, was uns Spaß macht. Dann würden unsere Handlungen und unsere Aussagen über uns selbst einander entsprechen. Wenn wir uns selbst sagen hören, was wir gerne tun würden, hilft uns das, die Motivation zu finden, es auch tatsächlich zu tun.
Die meisten meiner Seminarteilnehmer und Trainer reagieren skeptisch auf diese Erkenntnis. Sie können nicht so recht glauben, dass alleine dadurch, dass jemand sagt: »Ich würde wirklich gerne X tun«, die Wahrscheinlichkeit steigt, dass er esauch tatsächlich macht. Aber ich versichere Ihnen, dass ebendies, so unglaublich es auch klingen mag, in Dutzenden anerkannter wissenschaftlicher Studien bestätigt worden ist. Der Grund für die Skepsis liegt meiner Meinung nach darin, dass wir andere Menschen so oft sagen hören »Ich
sollte
XYZ tun«, was natürlich häufig den entgegengesetzten Effekt hat. Je mehr wir meinen, dass wir etwas tun sollten, umso weniger bereit sind wir vielleicht, es zu tun, insbesondere, wenn das Gesetz der psychologischen Reaktanz zum Tragen kommt. Aus ebendiesem Grund ist Instant Influence so effektiv. Die Technik hilft Menschen, ihre Gründe dafür zu erkennen, warum sie etwas tun wollen. Ist ihnen das erst einmal gelungen, folgt darauf auch so gut wie sicher die entsprechende Handlung.
Seligman und Festinger erkannten also, dass wir ein starkes Bedürfnis verspüren, unsere Aussagen über uns selbst mit unseren Handlungen in Übereinstimmung zu bringen. Wenn wir das
Weitere Kostenlose Bücher