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bewerten. 5 Anschließend sollten sie sich in zwei von einer kurzen Pause unterbrochenen Sitzungen mit Aufgaben beschäftigen, die sie frei wählen konnten, wobei die Studienleiter ihre Präferenzen notierten. In der Pause vor der zweiten Runde wurden die Versuchsteilnehmer jedoch von Forschungsassistenten, die sich ebenfalls als Teilnehmer ausgaben, massiv dazu gedrängt, bestimmte Aufgaben auszuwählen und andere zu vermeiden.
Wahrscheinlich ahnen Sie schon, was daraufhin passierte. Für ebendie Aufgaben, die die Teilnehmer vermeiden sollten, interessierten sie sich am meisten. Ihr Interesse an diesen »verbotenen« Aufgaben war sogar noch größer als an Aufgaben, die sie zuvor als »hochinteressant« bewertet hatten.
Nun mögen Sie vielleicht denken,
Na klar, verbotene Früchte sind bekanntlich besonders süß. Natürlich wollten die Studenten genau das tun, wovon ihnen massiv abgeraten worden war. Angenommen aber, die Studenten wären an bestimmten Aufgaben interessiert gewesen und dann dazu gedrängt worden, diese Aufgaben auszuwählen? Hätten sie auch diese Aufgaben nur deshalb eher vermieden, weil sie dazu aufgefordert worden waren, sie auszuwählen?
Nun, genau das war der Fall. Wie diese und zahlreiche spätere Studien belegen, vermieden die Menschen die Aufgaben, die sie auswählen sollten (das war sogar der Fall, wenn sie sich zuvor dafür interessiert hatten), und wählten die Aufgaben aus, die sie vermeiden sollten. Wenn sie aufgefordert wurden, sich für eine bestimmte Aktivität zu entscheiden, war das nahezu eine Garantie, dass sie diese Aktivität vermieden – selbst wenn diese ihnen gefiel. So sehr missfällt es uns, gesagt zu bekommen, was wir tun sollen.
Nachdem das Gesetz der psychologischen Reaktanz in wissenschaftlichen Kreisen allgemein anerkannt war, machte man sich daran, es genauer zu erforschen. So wurde zum Beispieluntersucht, ob es bestimmte Arten von Botschaften gibt, die eine der eigentlichen Absicht entgegengesetzte Wirkung haben. Dazu führten die Sozialwissenschaftler James Price Dillard von der Pennsylvania State University und Lijiang Shen von der University of Wisconsin-Madison im Jahre 2005 ein Experiment mit 202 Studenten durch. 6 Sie teilten die Studenten in zwei Gruppen auf und vermittelten jeder Gruppe unterschiedliche Botschaften über die Vorteile der regelmäßigen Benutzung von Zahnseide. Die Sachinformationen waren zwar identisch, die Wortwahl aber war unterschiedlich.
Die erste Gruppe wurde gebeten, eine »Low Threat«-Botschaft, also eine »wenig bedrohliche« Botschaft, zu lesen, in der die Autonomie der Studenten und ihr Recht, selbst zu entscheiden, betont wurden:
… die meisten Menschen würden wohl zustimmen, dass die Zahnreinigung mit Zahnseide sinnvoll ist … Parodontose kann zu einer ganzen Reihe schwerwiegender Gesundheitsprobleme führen, etwa zu Herzkrankheiten, Schlaganfällen, Diabetes und Lungenentzündungen. Sie sollten daher vielleicht darüber nachdenken, Ihre Zähne regelmäßig mit Zahnseide zu reinigen.
Falls Sie das bereits tun, sollten Sie damit fortfahren. Wenn nicht, wäre jetzt vielleicht ein guter Zeitpunkt, damit anzufangen. Vielleicht sogar gleich heute. Es ist einfach, warum es also nicht einfach einmal probieren? Nehmen Sie sich vor, Ihre Zähne ab heute eine Woche lang einmal pro Tag mit Zahnseide zu reinigen.
Die zweite Gruppe bekam eine »High Threat«-Botschaft, also eine »stark bedrohliche« Botschaft zu lesen, in der die Notwendigkeit stärker betont wurde als der Aspekt der Freiwilligkeit:
… Jeder vernünftige Mensch wird einsehen, dass es keine Alternative für die Zahnreinigung mit Zahnseide gibt. Man muss es nun einmal machen … Angesichts der Tatsache, dass Parodontose andere schwere Gesundheitsprobleme wie Schlaganfälle und Lungenentzündungen auslösen kann,wäre es äußerst dumm, sich die Zähne nicht täglich mit Zahnseide zu reinigen. Wenn Sie das bereits tun, setzen Sie auch weiterhin keinen einzigen Tag damit aus. Und falls Sie noch keine Zahnseide verwenden, ist jetzt – gleich heute – der richtige Zeitpunkt, um damit zu beginnen.
Sie müssen es tun, also tun Sie es auch. Reinigen Sie Ihre Zähne jeden einzelnen Tag mit Zahnseide. Nehmen Sie sich vor, Ihre Zähne ab heute eine Woche lang einmal pro Tag mit Zahnseide zu reinigen.
Wie Sie vielleicht vermutet haben, griffen die Studenten, die die weniger bedrohliche Botschaft erhalten hatten, deutlich häufiger zur
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