Nichts Als Ärger
Dabei handelte es sich um einen kleinen weißen Ball, wie er bei dem Vorgänger eines modernen Spiels verwendet wurde. Obwohl die aus organischem Material bestehende Ummantelung ziemlich abgenutzt war, konnte man darauf noch deutlich einige Unterschriften erkennen. Daneben platzierte Chaloni einige grellbunt verzierte Plastikbecher, auf denen eine auf den ersten Blick ungewöhnliche Mischung aus Heldenfiguren und Fast Food prangte, einen Silberring mit einem Türkis, dessen Herkunft als authentisches terranisches Stück durch eine Zäsiumdatierung belegt werden konnte, eine handgefertigte Damenbluse mit Blumenstickereien und eingenähten kleinen Spiegeln und zu guter Letzt und als krönenden Abschluss ein halbes Dutzend Flaschen aus einfachem Sandglas, die erstaunlicherweise nicht nur einen geringen Überrest eines geschmacksverstärkten Zuckersirups enthielten, sondern sich außerdem noch in ihrem Originalträger aus Pappe befanden.
Chaloni nahm ihren staunenden Blick in sich auf. Einen solchen Gesichtsausdruck sollte man nicht an den Tag legen, wenn man kurz davor stand, Verhandlungen zu führen. Er hatte fast das Gefühl, den Preis selbst bestimmen zu können. »Und?«, fragte er schließlich.
Damit war der Zauber gebrochen. Sie sah ihn an, blickte wieder auf die Waren, die auf dem Tresen angeordnet waren, dann lehnte sie sich in ihrem Sessel zurück. »Wunderbar. Großartig. Dass derartige Objekte auf einer erst vor Kurzem besiedelten Welt wie Visaria auftauchen und zum Verkauf angeboten werden, ist wirklich erstaunlich. Man scheint zu vermuten, dass wir bald alle im Reichtum schwimmen.« Sie holte tief Luft. »Aber leider kann ich dir das nicht abkaufen, kleiner Mann.«
Trotz seiner guten Vorbereitung gelang es Chaloni genauso wenig, sein Erschrecken über diese Reaktion zu verbergen, wie sie ihr Verlangen nach den vor ihr liegenden Waren hatte verbergen können. »Sie können …«, stotterte er und beendete den Satz dann mit einem hilflosen: »Warum nicht?«
»Weil sie dir nicht gehören und du sie daher auch nicht verkaufen kannst, Kleiner.«
Zwei Gestalten tauchten hinter ihr aus den Schatten auf. Einer der Männer hätte ausgereicht, um aus Chaloni zwei zu machen, möglicherweise auch drei. Abgesehen von seiner unglaublichen Leibesfülle und Körpergröße war der Riese blond und lächelte nicht. Sein Begleiter aber war wirklich furchteinflößend.
Er war ein Alien. Und Chaloni ausgesprochen fremd, da es sich um den Vertreter einer Spezies handelte, die er nicht kannte. Mehr als zwei Meter groß und ungewöhnlich dünn, besaß die Kreatur ein kurzes, dichtes graues Fell, das von mehreren Braunschattierungen durchzogen war. Die kleinen, dunklen und intensiven Augen waren von wenigstens einer, wenn nicht gar zwei angedeuteten Membranen bedeckt. Bewegliche spitze Ohren drangen an jeder Seite aus dem Kopf heraus und wanden sich nach oben, um dann in kleinen Fellbüscheln zu enden. Dekorative Streifen aus beschriftetem und poliertem Metall baumelten von beiden Hörorganen herunter. Einer der gigantischen Wangensäcke beulte sich nicht nur unförmig aus, Chaloni hatte überdies das Gefühl, dass sich darin etwas Schlangenartiges bewegen würde. Als das Wesen näherkam, konnte er sehen, dass es gleichmäßig auf etwas herumkaute, und ein unbekannter, außerweltlerischer Geruch stieg ihm in die Nase.
Gekleidet war es in einen wilden Modemix aus flexiblen Bändern und Riemen, an denen zahlreiche Hightechinstrumente angebracht waren, auf denen entweder eine eigenartig primitive Schnitzerei oder eine fremdartige Verzierung prangte. Es war, als wären der Träger und seine Ausrüstung zwischen der primitiven Welt, von der sie stammten, und der rücksichtslosen, vorwärtsdrängenden Gesellschaft von Visaria und dem größeren Commonwealth gefangen.
Langsam rückwärts zur Tür gehend, versuchte Chaloni, sowohl die beiden herannahenden Neuankömmlinge als auch die Hehlerin, die angeblich unabhängig und sauber sein sollte, im Auge zu behalten.
»Was soll das, Ms. Benawhoni? Wer sind diese Tskoms?« Doch so sehr er auch mit der Hand vor der Aktivierungstafel herumwedelte, die Tür blieb geschlossen.
Der Mann kam hinter dem Tresen hervor, legte Chaloni eine Hand auf den Rücken und zwang ihn sanft, aber unnachgiebig, sich weiter in den Raum zu begeben. Da er nicht aus dem Geschäft fliehen konnte, aber auch keine Waffe auf ihn gerichtet wurde, ließ Chaloni es geschehen. Nicht, dass er eine Wahl gehabt hätte.
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