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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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von gestern heutzutage immer nur ein paar Mausklicks entfernt. Eine Tatsache, die gerade Promis und Politikern gar nicht behagt, denn so ist es ein Kinderspiel, sie jederzeit mit ihren Meinungen, Affären, Versprechen und Kehrtwenden von gestern zu konfrontieren – und natürlich mit den entsprechenden Fotos.
    Aber es geht auch anders, in mühsamer Handarbeit, so wie früher. Erstaunlich eigentlich, dass auch in diesem Papier-Quellenarchiv Ordnung herrscht. Der alte Krempel mieft und staubt zwar, aber die Kladden und Kisten sind tatsächlich zutreffend beschriftet. Mai 1986, Juni, Juli. Er wischt mit dem Unterarm über seine tränenden Augen. August, September, Oktober. Immer noch nichts. Wieso eigentlich – zu jeder anderen Story ist hier doch auch alles abgelegt? Aber vielleicht hat Rufus Feger ja noch länger berichtet und seine Quellen erst später abgelegt. Er nimmt den November und den Dezember in Angriff. Dann das Jahr 1987. '88. '89. Springt sogar zurück nach 1985 und '84. Nichts, gar nichts. Nicht ein winziges Fitzelchen zum Todeshaus findet sich zwischen all den Quellen, auch nach zwei weiteren Suchdurchgängen nicht.
    Hustend richtet René Zobel sich auf. Jemand hat die Quellen zum Todeshaus einkassiert. Oder vernichtet. Es gibt keine andere Erklärung dafür. Wer? Wann? Warum? Die klassischen W-Fragen jeder journalistischen Grundausbildung hämmern ein wüstes Stakkato hinter seiner Stirn.
    ***
    Der Fall ist in Bewegung gekommen, wird immer verzwickter. Jeder noch so kleine Fortschritt wirft sofort eine Reihe neuer Fragen auf. Nachdem Kollegin Krieger zu ihrer Jetsettour aufgebrochen ist, hat er es auch nicht mehr lange am Schreibtisch ausgehalten. Stattdessen ist er nochmals zu den Überresten der ehemaligen Wirkungsstätte Hans Vollenweiders in die Eifel gefahren und dann gleich weiter nach Euskirchen zum Jugendamt, der für das Kinderheim verantwortlichen Behörde, wo er an eine optisch durchaus nicht unattraktive und einigermaßen hilfreiche Mitarbeiterin namens Elke Schwab geriet. Das Kinderheim Haus Frohsinn existierte bereits seit 1934, gab sie unumwunden zu. Und ja, auch nachdem die Nationalsozialisten nicht mehr das Sagen hatten, sei dort nicht alles in Ordnung gewesen, ganz im Gegenteil, schwarze Pädagogik sage man heute dazu. Doch das treffe nicht nur auf das Haus Frohsinn zu, sondern auch auf die gut 3000 anderen Kinderheime, die es nach 1945 in Deutschland gegeben habe, egal, ob die unter staatlicher oder kirchlicher Leitung gestanden hätten. Was dann folgte, war ein Gewaltritt durch ein rabenschwarzes Kapitel deutscher Nachkriegsgeschichte. Ein Morast aus Misshandlungen und Ausbeutung unter Leitung pädagogisch ungeschulten Personals tat sich vor ihm auf. Und zum krönenden Abschluss eröffnete Elke Schwab ihm dann noch, dass bei dem Brand 1981 nicht nur das Heimgebäude, sondern auch Personalakten und Chroniken vernichtet worden seien, weil man nach der Schließung des Heims schlicht versäumt habe, diese sicherzustellen.
    Manni wirft die Unterlagen, die die Schwab für ihn kopiert hat, auf den Beifahrersitz, lässt den Motor an und gibt Gas, jagt den Mondeo zurück auf die Autobahn. Die Scheiße dampft, dampft ganz gewaltig, was das Haus Frohsinn und Hans Vollenweider angeht. Ist es denkbar, dass einer der ehemaligen Zöglinge sich an der Familie des ehemaligen Heimleiters rächen will, hat er Elke Schwab gefragt. Ja, absolut, lautete ihre Antwort. Einige der Jungen, die in dem Heim lebten, galten als sogenannte schwierige Klientel. Jungen, die niemand hätte haben wollen, seien das gewesen. Kaputte Kinder, verstoßen, vergessen, ins Heim abgeschoben, wo man versuchte, sie mittels Zucht und Drill wie in alten Zeiten umzuerziehen, und wenn das nicht gelang, zumindest zu verwahren und als billige Arbeitskräfte zu verdingen.
    Er erreicht den Kölner Autobahnring und wenig später das Präsidium. Über 400 Jungen haben bis zur Schließung 1981 im Haus Frohsinn gelebt. Teils für Jahre, teils nur für einige Monate. Über 400 inzwischen längst erwachsene und in alle Himmelsrichtungen verstreute Männer, die man auffinden und befragen muss, falls sie nicht doch noch einen anderen Hinweis auf den Täter finden. Aber was das angeht, sieht es mager aus. Die Kriminaltechniker sind noch immer nicht mit der Auswertung der Spuren fertig und können mit keinerlei neuen Erkenntnissen dienen. Es ist wie verhext, als ob dieser Täter nicht existiert. Aber das ist natürlich Unsinn. Es gibt ihn. Es

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