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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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der Nachbarin. Dass vielleicht jemand dort war. Der Täter, der ihr die Fotos geschickt hat.
    »Waren Sie jemals mit Jonas in Köln?«
    »Nein, nie. Er lebte doch hier.«
    Judith zeigt Lea die Fotos, die sie in dem Haus gemacht hat, im Display ihrer Digitalkamera.
    »So sah es dort also aus«, sagt Lea leise.
    »Hat er Ihnen denn nie davon erzählt?«
    Lea schüttelt den Kopf, ihr Blick flieht zum Meer, und für einen kurzen, verbotenen Moment fragt Judith sich, ob sie den Mut – oder den Leichtsinn – hätte, für die Liebe zu einem mehr oder weniger Fremden volles Risiko zu spielen und alles zurückzulassen: den Beruf, die Familie und Freunde, das Land und die Sprache.
    »Was wissen Sie von Jonas’ Vergangenheit, Lea?«
    »Genug.« Ein trotziger Blick. »Er sprach nicht gern darüber. Aber ich weiß, dass er unschuldig ist.«
    »Seine Kindheit fand quasi im Heim statt. Er hatte sich mit seinem Vater überworfen.«
    »Das war doch alles schon ewig vorbei.«
    »Aber deshalb kann es doch trotzdem noch von Bedeutung sein.«
    Lea antwortet nicht, sitzt wie versteinert.
    »In dem Wohnhaus seiner Eltern haben wir keinerlei Fotoalben oder Briefe gefunden. Vielleicht hat Jonas die hier?«
    »Nein.«
    »Gibt es einen Ort hier im Haus, wo er seine persönlichen Dinge verwahrte?«
    »Sie glauben mir nicht.«
    »Darum geht es nicht.«
    »Ach?«
    »Es geht darum, Jonas’ Mörder zu überführen.«
    Lea antwortet nicht, und eine Weile ist nur das Geschrei der Zikaden zu hören. Dann stemmt Lea sich hoch und bedeutet Judith, ihr zu folgen.
    »Er hat nicht viel aufgehoben von damals«, sagt sie über die Schulter, doch schon der erste Blick in das Eckzimmer, in das sie Judith führt, straft ihre Worte Lügen. Ein Foto im A3-Format ist der einzige Wandschmuck in diesem Raum. Ein von der Vergrößerung leicht körniges Schwarz-Weiß-Foto in einem aus Treibholz gefertigten Rahmen. Ein junger Mann und eine junge Frau sind darauf zu sehen. Schön und lebendig. Seite an Seite.
    »Das sind Jonas und Miriam.« Judith dreht sich herum und sieht Lea in die Augen.
    »Jo mochte das Bild. Sie haben das an Miriams 21. gemacht«, sagt Lea leise.
    »An dem Tag, als das Verbrechen geschah.«
    Wieder verstummt Lea. Wieder sind nur die Zikaden zu hören. Selbst hier im Haus, wie ein krächzendes Meeresrauschen, das niemals verstummt.
    »Sie müssen mir vertrauen, Lea. Ich brauche Ihre Hilfe, sonst kann ich nicht ermitteln.«
    Lea nickt, langsam, wie in Trance. Aber dann hebt sie plötzlich den Kopf, und zum ersten Mal liest Judith etwas anderes in ihrem Gesicht als dumpfe Trauer. Entschlossenheit. Den Willen, zu kämpfen.
    »Okay, also gut. Was wollen Sie wissen?«
    »Alles«, sagt Judith.
    ***
    Polizeiautos, Suchhunde, Kriminaltechniker in weißen Overalls, die mit Spaten und Schaufeln hantieren – es ist unglaublich. Nicht zu fassen. Da düst er in die Eifeler Pampa, um ein schnelles Foto von einer Brandruine zu schießen, die Kilometer entfernt von jeglicher Zivilisation einsam und vergessen im Wald vor sich hin rottet, und stolpert mitten hinein in ein astreines Tatort-Szenario, fast so wie in einem Actionfilm. Wobei mitten hinein leider nicht ganz korrekt ist, denn auch mit Absperrband hat die Polizei nicht gegeizt. René Zobel hängt sich die Nikon über die Schulter und schlendert zu Torsten Reiermann rüber, der vor der Auffahrt zum Heimgelände Position bezogen hat und ihm mit einer Mischung aus Staunen und Widerwille entgegensieht, um dann sofort in sein Standard-Mantra zu verfallen: Ich kann noch nichts sagen, wir sind erst am Anfang, wieso ist der KURIER überhaupt schon hier … René Zobel grinst und bietet dem Polizeipressesprecher eine Cola an. Knackig kalt aus der Kühlbox im Kofferraum – einer seiner Tricks, die Zungen potenzieller Interviewpartner zu lösen. Doch Reiermann ist heute stur. Er schüttelt den Kopf und wendet sich ab.
    Was ist hier los, warum tobt hier ein Polizeigroßeinsatz? Vorhin hat er mal wieder versucht, Judith Krieger zu erreichen, aber ihr Handy war ausgeschaltet, und im Präsidium hieß es nur lapidar, sie sei in einer Dienstangelegenheit unterwegs. Aber hier ist sie nicht, hier hat ganz offenbar ihr blonder Heißsporn-Kollege das Sagen, der wie ein Zootiger mit Lagerkoller auf und ab schnürt und dabei pausenlos telefoniert.
    René Zobel schießt ein paar Totalen, dann noch ein paar Bilder aus der Hocke mit dem Polizeiabsperrband als Vordergrund, zoomt sich dann näher ran. Die suchen nach was, so

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