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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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viel ist klar, irgendetwas stinkt hier ganz gewaltig, deshalb waren die also vorhin beim Jugendamt so nervös und reserviert. Aber so richtig von Erfolg gekrönt ist die Aktion bislang wohl nicht, denn Korzilius sieht alles andere als begeistert aus. Womit sie immerhin etwas gemeinsam haben. Denn auch seine Bilanz des heutigen Morgens ist nicht gerade der Brüller. Mit Todesverachtung und sehr spitzen Fingern hat Rufus Fegers Hausdrache sich schließlich dazu herabgelassen, die Mappe entgegenzunehmen, die er zusammengestellt hat, um Feger davon zu überzeugen, seine Erinnerungen an die Causa Todeshaus mit ihm zu teilen und ihm Einblick in sein Privatarchiv zu gewähren, in dem sich aller Wahrscheinlichkeit nach die verschwundenen Quellen aus dem KURIER-Keller befinden. Doch seit seinem Schlaganfall ist Feger für Besucher ungefähr so empfänglich wie Angelina Jolie oder die Queen. Niemandem ist es bislang gelungen, eine Audienz bei ihm zu ergattern, und so wie Fegers Hausdrache ihn vorhin abgekanzelt hat, steht zu befürchten, dass Feger seine Bewerbung gar nicht erst zu Gesicht bekommen wird.
    Die Polizisten konzentrieren sich inzwischen auf ein bestimmtes Areal. Was genau sie dort tun, kann er nicht erkennen, ein Bus der Kriminaltechnik versperrt ihm die Sicht. René Zobel diktiert ein paar Ideen für Headlines in sein iPhone, nur so als Gedankenstütze, und schießt weitere Fotos. Einer der Wache schiebenden Polizeimeister beäugt ihn misstrauisch. Zobel bietet ihm die nun leider nicht mehr ganz so eiskalte Cola an, die Reiermann verschmäht hat. Der Beamte grinst, lehnt aber ab. Zwölf Uhr schon, high noon. Die Luft steht, klebrig vor Hitze. In den Alleebäumen, die den Zufahrtsweg zu dem Heimareal säumen, summen Insekten. Ein friedliches, sommerliches Geräusch, dennoch steigt die Anspannung da drüben, das ist deutlich zu spüren, und Korzilius blökt noch aufgeregter in sein Handy.
    René Zobel wirft einen prüfenden Blick auf den Zufahrtsweg. Er ist der einzige Pressevertreter, er hat die Nase vorn, aber lange wird es nicht mehr dauern, bis die lieben Kollegen aus ihrem Sommerlochkoma erwachen. Todeshaus. Frohsinn. Kinderheim. Er kickt die Begriffe mental hin und her. Kein Frohsinn im Kinderheim. Tod im Haus Frohsinn … Und das Jugendamt mauert. Warum eigentlich, was haben die zu verbergen? Eine Idee formt sich in seinem Hinterkopf, nimmt rapide Gestalt an, gefällt ihm immer besser. Wer weiß am besten Bescheid darüber, wie es damals im Kinderheim war? Die Kinder, die dort einmal lebten. Und wenn man nicht übers Jugendamt an deren Namen herankommt, schaltet man halt einen Aufruf im KURIER. Die ganze Wahrheit – Ex-Heimkinder packen aus. Das ist gut, das ist sehr gut. Das wird eine Story mit Pathos und O-Tönen und Leserbeteiligung. Interaktiv, die Leser-Blatt-Bindung fördernd, genau so, wie die Chefredaktion es liebt.
    Ein Kombi gleitet jetzt den Zufahrtsweg hinauf, wie zum Lohn für seine geniale Idee. Ein dunkler Kombi der Rechtsmedizin, und am Steuer erkennt er eine winzige Gestalt mit absurder Frisur, in der es rosa schillert. Ekaterina Petrowa höchstpersönlich, und das kann nur eines bedeuten: Die Polizei hat etwas gefunden. Nein, nicht was. Jemanden. Jemanden, der nicht mehr unter den Lebenden weilt. Die Frage ist nur: wen?
    ***
    Verdorrtes Gras raschelt unter ihren Füßen, der Wind trägt den Duft wilden Thymians her. Unten im Meer schwimmen Inseln in goldblauem Dunst, kaum mehr als Silhouetten, entlegen wie Träume.
    »Hier oben war Jo immer glücklich, hier konnte er echt sein und fühlte sich frei, können Sie das verstehen?«, fragt Lea Wenzel.
    »Ja«, sagt Judith, und Lea nickt, als hätte sie genau diese Antwort erwartet, wendet sich ab und führt Judith zwischen zwei Felsen zu einem Trampelpfad höher hinauf. Als ob sie und Lea die einzigen Menschen seien, kommt es Judith bald vor. Maria Damianidi, die sie auf Leas Wunsch hin über eine holprige Schotterpiste hierher an die raue Westküste gefahren hat, ist beim Wagen zurückgeblieben und schon nicht mehr zu sehen. Nur der Wind ist da, ein warmes Streicheln, das Rauschen der Wellen, die Weite. Der Trampelpfad macht noch eine letzte Wendung, dann endet er direkt am Rand der Klippen in einer schattigen Nische, dort lässt Lea sich auf einen Baumstamm sinken. Judith setzt sich neben sie. Ein geheimer Ort ist dies, ein Ort, der eigentlich Lea und Jonas gehört, das versteht sie, ohne dass Lea es erklärt. Wie zur Bestätigung beginnen

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