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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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nicht mal welche dabei, er war an dem Abend tatsächlich einfach nur zum Baggerloch gefahren, um zu baden, und dann liegt da Christin im Bikini, und auf einmal sind sie schon dran, viel geiler als in seinen kühnsten Fantasien, als ob sie’s bezahlt bekämen, haben sie an diesem Abend gevögelt und dann noch ein paar Wochen lang immer mal wieder. Sie wird schon wissen, was sie tut, sie nimmt die Pille, wie alle Mädchen, das hatte er gedacht, wenn er überhaupt irgendwas überlegte. Und dann war der Sommer vorbei, und die Sache lief irgendwie aus. Sicher auch, weil er schnallte, dass Christin ganz schön viel kiffte, zu viel für ein Mädel, und dass sie bekifft jegliche Distanz verlor, und zwar nicht nur zu ihm. Und dann steht sie vier Monate später bei ihm vor der Tür und sagt, dass er Vater wird.
    Er hatte gelacht im ersten Moment. Es war so absurd, so aus der Welt, und der Sommer längst vorbei und beinahe vergessen, und dann waren da doch ihre anderen Typen. Aber sie blieb völlig ernst, schien sich ihrer Sache absolut sicher. Du willst’s also auch nicht, das dachte ich mir, sagte sie, mitten in sein Lachen, ganz cool, als spräche sie über ein Möbelstück, das man loswerden will und noch halbherzig versucht zu verzocken, bis man es entnervt auf den Sperrmüll wirft.
    Eric Sievert lenkt den Kombi in die Garage und schaltet den Motor aus. Timo hieß der Junge, den Christin ein paar Monate später zur Welt brachte und direkt in die Obhut des Jugendamts gab. Ein Foto von diesem Jungen ist alles, was er je von ihm sah. Der leicht verwackelte Schnappschuss eines winzigen, roten Schrumpelgesichts, das erstaunlicherweise unverkennbar seine Kinnpartie aufwies und seine einen Tick zu eng beieinanderstehenden Augen. Keine Sorge, ich hab denen nicht verraten, dass du der Vater bist, hat Christin gesagt, als sie ihm das Foto unter die Nase hielt. Niemand wird dich je um Kohle angehen, und wenn der Kleine Glück hat, wird er adoptiert und kriegt echt nette Eltern. Und wenn nicht? Er hatte sich diese Frage verkniffen, sie brachte ja nichts, er hatte es sogar geschafft, diese Frage beinahe zu vergessen. Aber jetzt ist sie wieder da, als ob sie überhaupt nie weg gewesen sei, sondern nur in einer Untiefe seines Hirns vergraben, unsichtbar, stumm, aber dennoch vorhanden. Nichts bleibt für immer und ewig verschwunden. Alles kommt irgendwann wieder ans Licht, sei es, weil man danach sucht, sei es durch einen saudummen Zufall. Er hätte wissen müssen, dass diese Regel nicht nur für die Hinterlassenschaften von Römern, Nibelungen oder toten Soldaten gilt.
    Eric steigt aus und verschließt den Wagen, geht durch die Hintertür der Garage in den Garten. Von Anfang an hatte er im Steiner Wald ein Scheißgefühl. Er hätte darauf hören sollen, die Sache abbrechen, als es noch ging, spätestens als er auf die Knochen stieß, hätte er sich vom Acker machen sollen. Ciao, ciao, bye-bye, auf Nimmerwiedersehen. Zu spät, viel zu spät. Er hat einen Fehler gemacht und hängt in der Scheiße und weiß nicht, wie er da wieder rauskommen soll.
    Er lässt seinen Rucksack auf den Rasen plumpsen. Der Garten ist leer, das Haus verschlossen, Sabine und die Kids sind wohl noch im Schwimmbad. Er geht in die Scheune, die er sich zur Werkstatt ausgebaut hat. Sein Männerreich, wie Sabine gern spöttelt. Der Morgensex fällt ihm ein, ihr zufriedenes Lächeln beim Frühstück. Ihre Freude über die Kette, von der er längst wünscht, er hätte sie nie gefunden. Die ungeschminkte Wahrheit. Mit Sabine hatte es keine Lügen geben sollen, kein falsches Spiel. Aber von Timo hat er ihr dennoch nie erzählt, trotz Jan nicht, trotz Julia nicht, trotz aller Gespräche darüber, wie sie sich gegenüber Jans leiblichem Vater verhalten. Er nimmt ein Pils aus dem Kühlschrank, schlägt den Kronkorken an der Kante der Werkbank ab, setzt sich auf den Drehschemel und starrt die leeren Haken an, an denen sein Deus hängen sollte. Er hätte Sabine von Timo erzählen müssen. Er hätte ihr auch von den Knochen erzählen müssen, von der wahren Herkunft der Kette, von dem Bronzeschild, den er dann natürlich niemals hätte verkaufen können, von den Schüssen. Hätte. Hätte. Der Zug ist abgefahren. Definitiv. Jedes nachträgliche Geständnis wird nur Sabines Misstrauen schüren und ist Wasser auf die Mühlen ihres feinen Herrn Vaters. Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, und wenn er auch die Wahrheit spricht. Er gibt der Werkbank einen Tritt, trinkt einen

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