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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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sieht Manni und Ekaterina für Sekunden nur als Schemen, vor denen Lichtpunkte flirren.
    »Hast du vor zu verreisen, Judith?«, fragt Ekaterina Petrowa mit ihrer dunklen, kehligen Stimme, die so überhaupt nicht zu ihrem türkisrosa geblümten Kleid und dem Lackgürtel passt.
    Was für eine seltsame Frage, gerade jetzt, ganz am Anfang einer Ermittlung. Judith schüttelt den Kopf und streicht mit den Händen über ihre bloßen Arme. Nach den Stunden draußen in der Hitze wird ihr nun plötzlich kalt, sie fühlt die Gänsehaut unter ihren Fingern, denkt noch immer an Karl. Eigentlich hatte sie an diesem Wochenende nicht einmal Bereitschaft. Sie wollten nach Holland fahren, ans Meer. Ist das die Reise, die Ekaterina meint? Vielleicht ja, vielleicht nein, die Rechtsmedizinerin gibt es nicht preis, ist einmal mehr in ihre eigene Welt versunken.
    Der Staatsanwalt stürmt herein, und sie hasten im Gänsemarsch in den Sektionskeller. Die Luft hier unten ist herunterklimatisiert, eisig legt sie sich auf Judiths Haut. Sie läuft zurück in den Vorraum und zieht einen Obduktionskittel über. Der Stoff schmiegt sich an ihre nackten Beine und Arme, wie ein kühles, glattes Laken. Schlafen. Vergessen. Wenn sie nicht von dem Pferd geträumt hätte, wäre sie gar nicht hier, aber nun ist es zu spät, sie ist mittendrin, fühlt sich dem blonden Toten auf unerklärliche Art verbunden. Sie geht zurück zu den anderen, zwingt sich, ihn anzusehen, während Ekaterina Petrowa die äußere Leichenschau vornimmt und den Toten schließlich mithilfe ihrer Assistenten entkleidet. Sein zerstörtes Gesicht ist im grellen Schein der OP-Strahler noch unerträglicher. Sein Körper hingegen wirkt makellos. Er ist muskulös, weder tätowiert noch gepierct oder auffällig rasiert und hat keinerlei Narben oder Muttermale, anhand derer ihn Angehörige leicht identifizieren könnten. Seine Haut ist in verschiedenen Schattierungen gebräunt, am dunkelsten Arme, Waden und Füße. Die Lendengegend wirkt hingegen fast unnatürlich weiß. Das Haar ist sehr hell, sonnengebleicht.
    »Sieht aus, als trage er verschiedene Kleidungsstücke, wenn er in der Sonne ist«, konstatiert Manni. »Mal was Kurzärmliges und Shorts, mal eine Hose, die bis zur Hälfte der Waden reicht, mal nur eine Badehose.«
    »In seinen Schuhen ist Sand.« Der Kriminaltechniker Klaus Munzinger reicht Judith die in eine Asservatentüte verpackten Sportschuhe.
    Converse-Chucks in schmuddeligem Weiß. Abgetretene Sohlen, ein paar helle Körnchen.
    »Sand vom Meer?« Judith gibt Munzinger die Schuhe zurück.
    »Oder Sand vom Rhein, einer Baustelle, einem Kinderspielplatz. Wir prüfen das. Eindeutig bestimmen lässt sich die Herkunft ohne Vergleichsprobe vermutlich nicht.«
    »Er läuft viel barfuß.« Judith betrachtet die Füße des Toten. »Dort, wo er lebte, muss es also warm sein.«
    »Griechenland!« Der Kriminaltechniker dreht mit einer Pinzette das Etikett aus dem Kragen des blutverkrusteten T-Shirts. »Jedenfalls steht der Firmenname des Herstellers hier in griechischen Buchstaben.«
    Griechenland. Ekaterina Petrowa schaut Judith in die Augen. Nur flüchtig, dann beugt sich die Rechtsmedizinerin wieder über den Toten und setzt das Skalpell für den T-Schnitt an. Judith starrt auf die blond behaarte Brust und wendet unwillkürlich den Blick ab, als Ekaterina Petrowa zu schneiden beginnt. Das Kinn des Toten ist noch erhalten, ein kantiges Kinn mit ein paar hellen Bartstoppeln und einem sinnlichen Grübchen. Dort, wo einmal Nase und Stirn gewesen sind, schimmern Schädelsplitter im Blut, wie Reiskörner oder Maden. Haben Griechen so blonde Haare? Vielleicht hat der Tote ja nur in Griechenland gearbeitet, zum Beispiel als Animateur in einem Ferienclub. Vielleicht ist er Taucher oder Surfer oder Fischer, ein Mann aus dem Meer.
    »Gesichtsverlust«, sagt Manni in ihre Gedanken, und im selben Moment weiß sie, dass er recht hat, genau das war die Intention des Täters, ganz bewusst wählte er ein Geschoss, das den Kopf regelrecht zersprengen würde. Er wollte sein Opfer nicht nur töten – er wollte ihm sein Gesicht nehmen. Weil er selbst sein Gesicht verloren hat. Weil er Gleiches mit Gleichem vergelten will.
    ***
    Es ist reine Intuition, die ihn zum Rechtsmedizinischen Institut führt, aber, siehe da, sein Riecher war richtig: Hinter einigen Fenstern brennt noch Licht, und auf dem Parkplatz entdeckt er einen dezenten Kombi, der unverkennbar der Kriminalpolizei gehört. René Zobel parkt in

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