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Nichts als Erlösung

Nichts als Erlösung

Titel: Nichts als Erlösung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisa Klönne
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– auch wenn er dann vermutlich immer noch kaum älter aussieht als ein frischgebackener Abiturient.
    Am Eingang der Rechtsmedizin tut sich nichts. Täuscht er sich womöglich, und das Auto gehört gar nicht der Kripo? Um sich die Zeit zu verkürzen, studiert er nochmals die Tatortfotos mit Judith Krieger auf seinem iPhone, die ihm einer der Gaffer zugespielt hat, wirklich heißes Material, geht dann ins Internet und ruft die Sonntagsausgabe des KURIER auf. »Altstadt-Mörder: Hasst er Touristen?« – seine Story ist also raus. Als Kurzmeldung auf Seite eins Bundesausgabe und als großer Aufmacher im NRW-Teil. Er scrollt durch seinen Beitrag: Frau Hauptkommissar neben dem Kunststoffsarg beim Abtransport des Leichnams. Der Dom dahinter. Die Fakten im Text. Dann die beiden unglückseligen Amerikaner in einem Extrakasten. Es war nicht schwer gewesen, die in ihrem Hotel aufzuspüren. Mit ein bisschen Trost und der Aussicht, daheim A Big German Newspaper mit einem schicken Porträt von sich vorzeigen zu können, waren sie zu Fotos und einem Interview bereit. Auch ein paar der Schaulustigen haben ihm schöne O-Töne diktiert. Die Leute reden nun mal viel lieber mit der Presse als mit der Polizei. Außerdem hat Judith Krieger sich redlich bemüht, die Leute am Fotografieren zu hindern, und ihre Kollegen haben etliche Handys und Kameras konfisziert und selbstverständlich auch Personalien notiert. Das hat die Auskunftsfreudigkeit gegenüber der Polizei natürlich nicht gerade gesteigert, mal ganz davon abgesehen, dass die Damen und Herren Ordnungshüter längst nicht alle der Schaulustigen erwischt haben.
    Da, endlich: eine Bewegung am Eingang der Rechtsmedizin. René Zobel lässt sein iPhone fallen, greift wieder zur Nikon. Als Erste kommt die russische Rechtsmedizinerin heraus, gleich nach ihr Judith Krieger. Die beiden erörtern noch etwas, dann klackert die Leichenärztin auf ihren Absatzsandalen die Treppe herunter und schwingt sich auf ein Hollandrad mit extrem niedrig gestelltem Sattel, ihr silberner Rucksack schimmert im Licht der Straßenlampe. Brav, Mädels, brav. Und jetzt bitte Frau Kommissarin allein auf den Parkplatz! Er sieht ihr entgegen, die linke Hand an der Autotür, bereit, auszusteigen und auf sie zuzugehen. Aber da verlässt noch eine weitere Person das Rechtsmedizinische Institut, Heißsporn-Kommissar Korzilius holt die Krieger mit langen Schritten ein, und nun stiefeln die beiden einträchtig Seite an Seite zu ihrem Wagen.
    Das war’s dann mit dem Gespräch unter vier Augen. Er fokussiert die Kamera, schießt wenigstens noch ein Foto. Augenblicklich bleibt die Krieger stehen, wirkt auf einmal wie ein witterndes Tier. Hastig wölbt er die Hand über das leuchtende Display. Doch das ist gar nicht nötig, denn ihr Begleiter hat schon den Wagen geöffnet, und Judith Krieger schüttelt den Kopf, ein schnelles, unwirsches Schnicken, als wolle sie eine Schmeißfliege verscheuchen, dann steigt sie ein. Lohnt es sich, den beiden nachzufahren? Nein, man muss immer ein Gefühl fürs Timing wahren. Er packt die Kamera weg, gönnt sich zum Trost noch einen Blick auf die Tatortfotos seines Informanten. Die von dem Leichnam sind zwar nützlich, taugen aber definitiv nicht zur Veröffentlichung. Die von Judith Krieger gehören in eine andere Kategorie. Er betrachtet sie, eins nach dem anderen. Sie werden ihr nicht gefallen, nein, ganz und gar nicht. Zu viel Dekolleté. Zu viel Wut im Gesicht, als sie die Gaffer vertreiben wollte. Und dann die Pistole quer über den Brüsten. René Zobel lächelt. Es liegt bei Judith Krieger, was er damit machen wird.

Du bist gekommen. Du bist tatsächlich gekommen. Das lag nicht in meiner Macht. Das habe ich nicht planen können. Das habe ich nicht einmal zu träumen gewagt.
    Ich sehe Dein Bild an, entzünde die Kerzen. Deine Augen sind traurig, aber Dein Mund lächelt ein bisschen, nur für mich.
    Dass ich Dich überhaupt wiedergefunden hatte, war ein Wunder. Das erste Zeichen. Und jetzt bist Du noch weiter auf mich zugegangen, hast mein Sehnen erhört, als wärest Du einverstanden mit meinem Plan.
    Ja, ich habe gezweifelt, nun kann ich Dir das gestehen. Ich habe gezweifelt und mit dem Schicksal gehadert. Aber jetzt zweifle ich nicht mehr, sondern bin ganz ruhig. Dass Du gekommen bist, tatsächlich Du. Es muss ein Zeichen sein. Das zweite Zeichen. Mein Plan wird gelingen, das weiß ich nun.
    Ich sehe Dich an. Ich bin sehr glücklich. Am Ende kann es also doch noch Erlösung

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