Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
Punkten einzuheimsen. Jeremy wollte nur noch da raus, er fand das ganze System total krank. Aber mein Kontostand ist ziemlich niedrig, darum stehen die Grauen jetzt auch da draußen. Ich hätte gestern Abend dringend ein paar Bilder verkaufen müssen, aber es haben sich keine Abnehmer gefunden. Und ich schlafe bestimmt nicht mit irgendeinem fiesen alten Knacker für ein paar lausige Punkte.«
»Warum trittst du nicht einfach aus?«
»Niemand verlässt die OG.« Marta wurde immer zappeliger. »Hey, Haven, macht’s dir was aus, wenn wir jetzt über was anderes reden?«
»Kannst du mir was über deine Visionen erzählen?«, bat Haven, die insgeheim hoffte, dass sie später noch mal auf die OG zurückkommen könnten, wenn Marta sich wieder wohler fühlte.
»Klar, warum nicht. Was willst du denn wissen?«
»Wie hat das alles angefangen? Was siehst du für Sachen?«
»Ich hab sie schon seit Jahren«, sagte Marta. »Aber richtig verstörend sind sie erst geworden, seit ich hier in New York bin. Ich werde für ein paar Minuten ohnmächtig und sehe irgendwas Schreckliches passieren. Da ist immer derselbe Mann, aber ich hab sein Gesicht noch nie richtig erkennen können. Danach muss ich malen, was ich gesehen habe, bloß um es aus dem Kopf zu bekommen. Ich hätte nie gedacht, dass jemals eine Galerie diese Bilder zeigen würde. Ist ja nicht gerade das, was die meisten Leute sich gern an die Wand hängen würden. Aber als Iain die Bilder gesehen hat, hat er drauf bestanden. Er hat kein Nein gelten lassen.«
»Hast du irgendeine Ahnung, was die Visionen bedeuten könnten?«, wollte Haven wissen.
Marta warf einen flüchtigen Blick auf das unfertige Gemälde, das auf der Staffelei in der Ecke stand. Alles, was Haven erkannte, war ein einziges Farbchaos. »Ich glaube, das sind alles Sachen, die irgendwo passiert sind. Manche Leute können ja in die Zukunft sehen, aber ich nur in die Vergangenheit. Mal wieder Pech gehabt.«
»Vielleicht sollen sie dir irgendwas mitteilen«, überlegte Haven.
»Tja, wenn das so ist, hab ich’s auf jeden Fall noch nicht kapiert. Willst du dir mal den Rest angucken? Vielleicht kannst du das Rätsel ja lösen.«
»Du hast noch mehr Bilder hier? Sind die nicht in der Galerie?«
Marta grinste. »Komm mit«, sagte sie.
Das Mädchen stand von seinem Platz auf dem Toilettendeckel auf und tapste barfuß durch die Wohnung, wobei sie deutliche Fußspuren im Staub hinterließ. Sie öffnete eine Tür und bedeutete Haven, ihr zu folgen. In dem Lagerraum türmten sich die bemalten Leinwände fast einen Meter hoch. Nur ein schmaler Pfad schlängelte sich zwischen den vielen Stapeln hindurch.
Haven keuchte auf. »Wie viele sind das?«
»Alle zusammen? Ungefähr dreihundert. Manchmal male ich drei, vier pro Woche. Ich kann einfach nicht aufhören.«
»Und alle sind unterschiedlich?«
»Hmm.«
Haven zog eine Leinwand von einem der Stapel. Sie zeigte eine Gruppe von Schlägertypen, die sich um ein großes Loch im Boden versammelt hatten. Auf dem Grund des Lochs stand ein zähnefletschender Hund einer beängstigenden Armee von Ratten gegenüber. Es war deutlich, dass die eigentlichen Bestien auf diesem Bild nicht die Tiere waren, die um ihr Leben kämpften, sondern die Männer, die das Blutvergießen gierig beobachteten. Ganz am Rand der Menge betrachtete ein gesichtsloser Mann interessiert das Spektakel.
»Du meintest, Iain hätte dich überredet, deine Werke auszustellen?«, hakte Haven nach, die sich fragte, warum irgendwer Martas erschreckende Tribute an die dunkle Seite der Menschheit der Öffentlichkeit zugänglich machen wollen würde.
»Ja, er war, ein paar Wochen bevor Jeremy gestorben ist, hier, um mir mal wieder die Hölle heißzumachen wegen der Drogen. Dann hat er ein Bild gesehen, an dem ich gerade gearbeitet habe, und ich schwöre, er ist fast aus den Latschen gekippt. Danach hat er mir die ganze Zeit damit in den Ohren gelegen, dass ich unbedingt in seiner Galerie ausstellen sollte. Jeremy war total dagegen. Er meinte, die Bilder wären gefährlich. Wenn er noch leben würde, hätte es nie eine Ausstellung gegeben.«
»Wo ist denn das Bild, das Iain so toll fand?«
»Hier«, sagte Marta. »Komischerweise wollte er es bei der Ausstellung dann gar nicht dabeihaben.« Sie verschwand hinter einem der Stapel und kam Augenblicke später mit einem postergroßen Bild zurück. In der Mitte der Leinwand stand eine üppige Brünette mit einer Fuchsstola um die Schultern – der leblose
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