Nichts ist endlich - Miller, K: Nichts ist endlich - The eternal ones - What if love refused to die: Jugendroman
das sie nun einmal sein würde. Die zurückgegebenen Abschlussballkleider wurden aufgetrennt und zu luftigen Sommerkleidern verarbeitet. Was von Bethany Greenes schwarzem Seidenkleid noch übrig war, wurde zu einem gewagten Abendkleid. (»Man kann ja nie wissen!«, hatte Beau verkündet.) Haven wollte sich noch ein paar T-Shirts, Jeans und Turnschuhe besorgen, bevor sie sich auf den Weg machte; mit dem Kauf von einem Paar High Heels würde sie dagegen warten, bis sie in New York war. Bei der Vorstellung, wie sie durch die sagenumwobenen New Yorker Boutiquen schlendern würde, durch Reihen über Reihen wunderschöner Kleider, konnte Haven ihre Aufregung kaum im Zaum halten. Seit sie ihren Entschluss gefasst hatte – und sie in Snope City auch nicht mehr sicher zu sein schien –, war ihr bei dem Gedanken an New York nicht mehr ganz so mulmig zumute. Jetzt konnte sie sich auf einen einzigen Gedanken konzentrieren: Nach fast einem Jahrhundert würde sie endlich nach Hause kommen.
Als der Sonntag näher rückte, fiel Haven auf, dass sie trotz ihrer vielen neuen Kleider nichts Passendes für die Kirche hatte. Imogene würde es glatt von der Kirchenbank hauen, wenn Haven mit irgendetwas dort auftauchte, dessen Saum sich oberhalb des Knies befand. Und das Letzte, was Haven jetzt gebrauchen konnte, war, dass die alte Frau ihretwegen vor den Augen der braven Bürger von Snope City einen Herzinfarkt bekam. Als Beaus Vater von Havens Problem erfuhr, verschwand er in seinem Schlafzimmer und kam kurz darauf mit einem hübschen blauen Kleid zurück, das mit kleinen weißen Blümchen gemustert war.
»Das kann ich nicht anziehen, Mr Decker«, flüsterte Haven. Das Kleid hatte seiner Frau gehört. Seit drei Jahren hatte es unberührt im Schrank gehangen und darauf gewartet, dass Emily Decker von den Toten auferstand. Beau hatte Haven einmal den Schrank gezeigt, der in seinem perfekt konservierten Zustand eher wie ein Schrein wirkte.
»Klar kannst du. Ich hab ja keine Ahnung von Frauenkleidern und so, aber ich glaube, das müsste dir passen.«
»Es ist nicht, weil …«
»Weiß ich. Aber Emily würde wollen, dass du es bekommst, nach allem, was du für unsere Familie getan hast.«
»Nach allem, was ich getan habe?«
Ben deutete auf seinen Sohn und zwinkerte. »Wir beide wissen doch ganz genau, dass er ohne dich auf die schiefe Bahn geraten wäre. Wäre wahrscheinlich schon in der achten Klasse wegen Körperverletzung hinter Gittern gelandet. Und jetzt geht er bald auf die Vanderbilt, genau wie seine Mama sich das gewünscht hat.«
Haven zuckte unweigerlich zusammen. Ben Decker würde am Boden zerstört sein, wenn Beau ihm eröffnete, dass sich seine Collegepläne geändert hatten.
»Zieh einfach das Kleid an, Haven«, fuhr Beau sie barsch an. »Wir müssen los.«
Haven warf ihrem Freund einen finsteren Blick zu und nahm dann das Kleid von seinem Vater entgegen. »Vielen Dank, Mr Decker. Ich weiß das wirklich zu schätzen.«
»Nichts zu danken«, winkte Ben Decker ab, der sich Mühe gab, nicht allzu selbstzufrieden zu klingen.
Imogene Snivelys Kirche stand im Herzen von Snope City. Es war ein imposanter Backsteinbau mit einem weißen Turm, der so hoch aufragte, dass er bis in den Himmel zu reichen schien. Die Türen standen offen und das Kirchenschiff war lichtdurchflutet. Überall standen Marmorkübel, die vor Blumen nur so überquollen, jede einzelne Mahagonifläche glänzte vor Möbelpolitur, und in der Luft hing ein frischer Zitronenduft. Haven und Beau schritten über den dicken, burgunderroten Teppich zur Bank der Snively-Familie. Um sie herum begannen die Leute zu tuscheln, doch Haven lächelte einfach gelassen weiter, als sie und Beau neben Mae Moore Platz nahmen.
»Ich war mir nicht sicher, ob du kommen würdest«, bemerkte Imogene steif.
»Na, das lass ich mir doch nicht entgehen«, gab Haven zurück, als die Gemeinde sich erhob und Dr. Tidmore auf die Kanzel stieg.
Während der Chor hinter ihm Aufstellung nahm – die Gesichter so ernst und ausdruckslos wie eine Gruppe Bodyguards –, ließ der Pastor den Blick prüfend über die Menge schweifen.
»Bitte nehmen Sie Platz«, sagte Dr. Tidmore ruhig und blätterte durch den kleinen Stapel Karteikarten mit seinen Notizen. Das tat er jeden Sonntag, obwohl er die Karten nie wirklich zu benutzen schien. Als er schließlich die Hände auf die Kanzel stützte und mit seiner Predigt begann, war von seiner liebenswürdigen Art nichts mehr übrig. Streng und
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