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Nick Adams Stories

Nick Adams Stories

Titel: Nick Adams Stories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernest Hemingway
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Straße, gleich neben dem Lagerschuppen. Odgar und Kate waren dort unten. Odgar mit diesem Stockfisch-Blick, den er immer bekam, wenn er Kate anschaute. War denn Odgar wirklich so ahnungslos? Nie würde Kate ihn heiraten. Sie würde überhaupt keinen heiraten, der es ihr nicht mal richtig zeigte. Und wenn einer das versuchte, dann würde sie sich innerlich zusammenrollen und sich hart machen und entschlüpfen. Er dagegen, er konnte sie ohne weiteres dazu bringen. Statt sich fest zusammenzurollen und zu entschlüpfen, öffnete sie sich dann weich, war locker und entspannt und gut zu halten. Odgar meinte, die Liebe, das sei das Entscheidende. Seine Augen begannen zu schielen und röteten sich an den Lidrändern. Sie konnte es nicht ertragen, daß er sie berührte. Das alles stand in seinen Augen. Dann verlangte Odgar immer, sie sollten einfach gute Freunde bleiben, wie zuvor. Im Sand spielen. Matschkuchen backen. Tagesausflüge, zu zweit im Boot. Kate immer im Badeanzug. Und Odgar, der den Blick nicht von ihr wandte.
    Odgar war zweiunddreißig und hatte zwei Varikozele-Operationen hinter sich. Er war häßlich anzusehen und alle mochten sein Gesicht. Odgar schaffte es nie, und dabei war es für ihn das Wichtigste auf der Welt. Jeden Sommer stellte er es noch ungeschickter an. Es war mitleiderregend. Odgar war schrecklich nett. Niemand war je so nett zu Nick gewesen wie Odgar. Und Nick konnte es haben, wenn er wollte … Wenn Odgar das wüßte, dachte Nick, würde er sich umbringen. Auf welche Weise wohl? Er konnte sich Odgar nicht tot vorstellen. Wahrscheinlich würde er es nicht tun. Immerhin, es gab Leute, die taten es. Es war nicht einfach Liebe. Odgar meinte, einfach Liebe, das reiche. Odgar liebte sie genug, weiß Gott. Aufs Mögen kam es an. Den Körper mögen, den Körper ins Spiel bringen, und überreden, und riskieren, und nie Angst machen und nie beim anderen etwas als gegeben voraussetzen, und immer nehmen, nie fragen; Zartheit und Zuneigung, Zuneigung wecken und Glücksgefühl, ein bißchen Spaß machen und dem anderen keine Angst einjagen. Und später mußte man dann gut sein dabei. Das war nicht Lieben. Lieben, das war furchteinflößend. Er, Nicholas Adams, bekam, was er wollte, etwas in ihm brachte das zuwege. Vielleicht hielt es nicht für immer vor. Vielleicht würde er es verlieren. Er hätte es Odgar gern überlassen, oder wenigstens mit ihm darüber gesprochen. Es gab überhaupt nichts, worüber man sprechen konnte, mit wem auch immer. Schon gar nicht mit Odgar. Nein, das stimmte nicht. Es galt für alle und jeden. Das war von jeher sein großer Fehler gewesen, Reden. Durch Reden hatte er sich schon um zu vieles gebracht. Aber es müßte eine Möglichkeit geben, etwas für die Jungfrauen in Princeton, Yale und Harvard zu tun. Wieso gab es an den staatlichen Universitäten keine Jungfrauen? Koedukation, vielleicht. Da trafen sie Mädchen, die aufs Heiraten aus waren, und die Mädchen halfen ihnen auf die Sprünge und heirateten sie. Was würde wohl aus Burschen wie Odgar und Harvey und Mike und all den anderen werden? Er wußte es nicht. Er lebte noch nicht lange genug. Sie waren die anständigsten Kerle der Welt. Was wurde aus ihnen? Woher zum Teufel sollte er das wissen. Woher sollte er schreiben können wie Hardy und Hamsun, da er doch erst seit zehn Jahren bewußt lebte? Es ging einfach nicht. Warte ab, bis ich fünfzig bin.
    Er kniete im Dunkeln nieder und trank aus der Quelle. Er fühlte sich in Form. Er wußte, daß er einmal ein großer Schriftsteller sein würde. Er wußte Bescheid, und sie konnten ihm nichts anhaben. Keiner. Er wußte nur noch nicht genug Bescheid. Aber das würde schon noch kommen. Er wußte es. Das Wasser war kalt, und die Augen taten ihm weh. Er hatte einen zu großen Schluck genommen. Wie bei Eiskrem. Das passiert, wenn man trinkt und dabei die Nase unter Wasser hat. Er sollte jetzt besser Schwimmen gehen. Grübeln taugte nichts. Das fing an, und dann nahm es kein Ende mehr. Er ging die Straße hinunter, vorbei an dem Wagen und dem großen Lagerschuppen zur Linken, wo im Herbst Äpfel und Kartoffeln auf die Lastkähne verladen wurden, vorbei an dem weiß gestrichenen Bean-Haus, wo sie manchmal bei Laternenlicht auf dem alten Dielenboden tanzten, und weiter hinaus auf den Anlegesteg, wo die anderen schwammen.
    Sie schwammen alle draußen hinter dem Ende des Stegs. Während Nick über die rauhen Bretter ging, tief unter sich das Wasser, hörte er den knarrenden Protest

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