Nick Perfect – Bruder per Post
ich erst mal schnell zum Unterricht.
Kurz bevor ich das Klassenzimmer erreichte, begegnete ich Oscar, unserem alten Hausmeister, der gerade einen Trinkbrunnen reinigte. » Haben wir jetzt einen zweiten Hausmeister?«, fragte ich freundlich.
Oscar starrte mich gekränkt an. » Einen zweiten Hausmeister?«, sagte er. » Mach dich nicht lustig über mich, junger Mann. Ein zweiter Hausmeister, der mir ein bisschen zur Hand geht, davon träum ich schon seit dreiundzwanzig Jahren.« Er seufzte und machte sich wieder an die Arbeit. Sorry, Oscar.
Kaum öffnete ich die Tür zum Klassenzimmer…
» Hi, Nick!«, riefen ein paar Kids und runzelten enttäuscht die Stirn, als sie sahen, dass nur ich es war.
Tja, nur ich. Kein Grund auszuflippen, Leute.
32.
Nick lag, in Einzelteile zerlegt, auf dem Arbeitstisch im Labor. Pa stand über ihn gebeugt und zog gerade ein paar winzige Schräubchen in der Nähe der Hüfte fest. Es war ein irrer Anblick, dass der Kopf meines Bruders abgeschraubt war und aus der Halsöffnung die Drähte ragten. Es war fast, als sei er… tot.
» Wie geht’s Nick?«, fragte ich und versuchte, nicht auf den Kopf zu starren, aber blöderweise zog es meinen Blick immer wieder dorthin.
» Nicht so doll«, sagte Pa. » Nick und sein Cousin sind mit einem Computerwurm infiziert worden, der in ihren Basisdateien ein furchtbares Chaos angerichtet hat. Ich denke, wir haben das jetzt im Griff. Jetzt gilt es, den Schaden zu beheben und die verlorenen Daten wiederherzustellen.«
Auf dem Computerbildschirm sah ich meinen Onkel, der an Jean-Pierre jr. ähnliche Reparaturen durchführte. Zwei kopflose Kinderroboter! Mir wurde ein bisschen schlecht. » Kommt Nick wieder in Ordnung?«
Pa zuckte die Achseln. » Das wird die Zeit zeigen. Aber auch wenn wir ihn wieder auf die Beine kriegen, kann es eine Weile dauern, bis er ganz der Alte ist. Der Wurm hat sich rasend schnell durch seine Dateien gefressen, wie eine Rakete mit Zähnen.«
Hilflos schaute ich Nick an und bereute jeden bösen oder egoistischen Gedanken, den ich jemals ihm gegenüber gehabt hatte. Okay, er war beliebter und klüger als ich– na und? Jetzt wünschte ich mir nur noch, dass er wieder gesund wurde.
Als die Schräubchen festgezogen waren, unterhielten sich mein Pa und mein Onkel per Video-Chat. Da es nur teilweise aufFranzösisch war und sich mein Französisch außerdem durch Nick verbessert hatte, konnte ich mir manches zusammenreimen. Im Grunde waren mein Pa und mein Onkel verblüfft, dass es ein Wurm geschafft hatte, die Firewalls zu durchbrechen und in verschlüsselte Dateien einzudringen, vor allem, weil die Programmiersoftware nur auf den Computern meines Pas und meines Onkels existierten.
» Es kommt einem fast vor, als hätte das ein Insider getan«, sagte Pa. » Aber es wissen ja nur eine Handvoll Leute von Nick und Jean-Pierre, und wir vertrauen allen, stimmt’s?«
Mein Onkel wurde plötzlich bleich. » Für meine zwei Assistenten würde ich die Hand ins Feuer legen«, bestätigte er.
Pa sah ihn an. » Und was ist mit Véronique?«
Onkel Jean-Pierre kratzte sich im Gesicht und wirkte irgendwie verlegen.
» Jean-Pierre?«, drängte Pa. » Gibt es etwas, das du mir sagen willst?«
» Véronique hat mich vor zwei Tagen verlassen«, rückte mein Onkel schließlich heraus. » Sie hat gesagt, sie könne nicht weiter mit einem Mann zusammenleben, der sich mehr um Computer und Roboter kümmert als um seine Freundin. Es kam ganz überraschend. Und ich dachte… na ja, ich hab dummerweise gedacht, sie sei die Richtige,«
Im ersten Moment wirkte Pa teilnahmsvoll, aber dann wurde seine Miene tiefbesorgt. » Ich frage das sehr ungern… aber… könnte sie den Wurm eingeschleust haben? Würde sie so etwas tun– unsere Arbeit sabotieren?«
Mein Onkel schüttelte heftig den Kopf, aber gleichzeitig sah ich, wie sich auf seinem Gesicht Zweifel breitmachte. » Sie geht gern mit Materialien um, nicht mit Software, also hätte sie Hilfe von außen benötigt, um einen Wurm einzuschleusen«, sagte er. Und fügte nach einem tiefen Seufzer hinzu: » Véronique ist wütend auf mich, weil ich mich nicht genug um sie gekümmert habe, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass sie den beiden Schaden zufügen würde. Schließlich hat sie jahrelang an ihnen mitgearbeitet, genau wie wir.«
» Kannst du sie kontaktieren? Herausfinden, was sie weiß?«, fragte Pa. » Wenn sie mit den falschen Leuten geredet hat…«
Mein Onkel deutete an, dass er jetzt
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