Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
selbst getroffen.
Was ich nicht mehr brauchte, legte ich in den
Kofferraum. Der Regen war unterdessen stärker
geworden. Ich stieg wieder hinten ein und faltete das schwarze Tuch als Decke zusammen. »Wir müssen hier ein paar Stunden warten. Für den Flughafen ist’s noch viel zu früh. Wenn du willst, kannst du ein bißchen schlafen.«
Kelly streckte sich auf dem Rücksitz aus, und ich deckte sie zu. »So ist’s besser – du kannst mit Jenny und Ricky im Arm schlafen.«
Sie sah zu mir auf und lächelte. Wir waren wieder Freunde.
»Aber du gehst nicht wieder weg, Nick?«
Ausnahmsweise sagte ich die Wahrheit. »Nein, ich
habe zu arbeiten. Du kannst beruhigt schlafen. Ich bleibe hier.« Ich setzte mich wieder ans Steuer, nahm den Laptop auf die Knie und klappte den Bildschirm hoch.
Gleichzeitig überzeugte ich mich davon, daß der
Zündschlüssel steckte, damit ich jederzeit wegfahren konnte. Falls wir erkannt wurden, mußten wir sofort startbereit sein.
Ich schaltete den Laptop ein, dessen Bildschirm das 465
Innere des Wagens geisterhaft erhellte. Dann schob ich Kevs Diskette ein. Ich wollte seinen Bericht unbedingt zu Ende lesen, aber als erstes speicherte ich den Inhalt der Diskette sicherheitshalber auf der Festplatte des Laptops.
Zwischendurch fragte ich halblaut: »Kelly?« Keine Antwort. Das sanfte Rauschen des Regens hatte seine Arbeit getan.
Ich las weiter, wo ich aufgehört hatte. Ich wußte, daß Gibraltar schon immer ein Zentrum für internationalen Drogenhandel, Geldwäsche und Schmuggel gewesen
war, aber 1987 hatte Spanien offenbar nicht nur weiter die Rückgabe der Halbinsel gefordert, sondern auch verlangt, die Briten sollten gegen den Drogenhandel vorgehen. Die Regierung Thatcher hatte die dortige Verwaltung angewiesen, entsprechende Maßnahmen zu treffen, aber die schnellen Motorboote brachten weiterhin Drogen aus Nordafrika herüber. London drohte damit, die Verwaltung der Kolonie selbst zu übernehmen, wenn der Drogenschmuggel nicht eingedämmt wurde, und
ordnete zugleich höchst illegale Ermittlungen gegen verdächtige Polizei- und Regierungsbeamte an. Die Jungs, die bis dahin Bestechungsgelder kassiert hatten, erkannten die Gefahr und hörten schlagartig auf, mit der PIRA oder sonst irgend jemandem zusammenzuarbeiten.
Die Abriegelung der Gibraltar-Route bedeutete einen Teilerfolg im Kampf gegen Drogenschmuggel und
Korruption, aber die Kolumbianer waren stinksauer. Eine wichtige Handelsroute war unterbrochen worden, und sie bestanden darauf, sie weiterhin nutzen zu können. Wie aus Kevs Bericht hervorging, gelangten sie zu dem 466
Schluß, hier sei eine Machtdemonstration nötig.
Ein Sprengstoffanschlag in Gibraltar sollte den
Beamten als Warnung dienen, um sie wieder
kooperationsbereit zu machen, und die PIRA erhielt aus Kolumbien den Auftrag, diesen Anschlag auszuführen.
Das brachte die PIRA in eine Zwickmühle. Sie hatte ebenso großes Interesse an der Wiedereröffnung der Gibraltar-Route wie die Kolumbianer, aber nach dem Debakel von Enniskillen durfte sie keinen Anschlag riskieren, der Ausländer das Leben kosten und sie selbst international noch mehr in Verruf bringen konnte. Daher weigerte sie sich, diesen Auftrag auszuführen.
Wie das von Kev zusammengetragene Material
bewies, hatte das Drogenkartell der PIRA daraufhin ein Ultimatum gestellt: Ihr verübt den Bombenanschlag in Gibraltar – oder wir machen unsere Geschäfte in Zukunft mit der protestantischen UVF. Damit wurde die Lage für die PIRA kritisch.
Ihre Führungsspitze fand jedoch eine elegante Lösung, die selbst ich widerstrebend bewundern mußte. »Mad Danny« McCann war schon einmal aus der PIRA
ausgeschlossen und gegen Gerry Adams’ Willen wieder aufgenommen worden. Und Mairead Farrell war seit dem Unfalltod ihres Freundes erst recht fanatisch geworden –
»eine Art gesellschaftlicher Handgranate«, hatte
Simmonds sie einmal genannt. Die PIRA beschloß, zwei Akteure nach Gibraltar zu entsenden, die sie am liebsten von hinten sah, und ihnen Sean Savage mitzugeben, der nur das Pech hatte, derselben Einheit wie McCann und Farrell anzugehören.
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Das Team erhielt die technische Ausrüstung und das Semtex für die Bombe, sollte aber alles in Spanien zurücklassen, bis Aufklärung und Probeläufe in Gibraltar abgeschlossen waren. Sie sollten die Autobombe erst installieren, wenn der Wagen am dafür vorgesehenen Platz stand. Die PIRA gab ihren Leuten schlecht
gefälschte Pässe mit und sorgte
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