Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
Verstand daran
hindern konnte, sich immer wieder mit derselben Frage zu beschäftigen.
Daß es eine unheilige Allianz zwischen der PIRA und korrupten DEA-Mitarbeitern gab, stand fest – und Kevs Boß schien einer der Hauptakteure zu sein. Kev hatte von dieser Korruption gewußt, ohne schon die Namen der Beteiligten zu kennen. Und er hatte mit jemandem
darüber reden wollen.
Hatte Kev am Tag meiner Ankunft in Washington
nichtsahnend seinen Boß angerufen, um ihn nach seiner Meinung zu fragen? Sehr unwahrscheinlich, denn er hatte bestimmt auf Kevs Liste der Verdächtigen gestanden.
Viel wahrscheinlicher war, daß er mit jemandem
außerhalb der DEA gesprochen hatte, der die Problematik erkennen würde und dessen Urteil Kev schätzte. Konnte das Luther gewesen sein? Kev hatte ihn gekannt, aber hatte er ihm auch vertraut? Schwierig zu beurteilen.
Jedenfalls war Kev nach diesem Telefongespräch
innerhalb von einer Stunde tot gewesen.
508
Ein paar Stunden vor der Landung flammte die
Kabinenbeleuchtung auf, und wir bekamen das Frühstück serviert. Ich stieß Kelly an, aber sie stöhnte nur und vergrub sich unter ihrer Decke. Ich rührte das Essen nicht an. Nachdem ich beinahe in Hochstimmung gewesen
war, weil es uns gelungen war, an Bord dieses Flugzeugs zu kommen, war ich zutiefst deprimiert aufgewacht.
Meine Laune war so finster wie der schwarze Kaffee vor mir. Es war verrückt gewesen, sich schon erleichtert zu fühlen. Wir waren noch längst nicht in Sicherheit; falls die anderen wußten, daß wir an Bord waren, würden sie natürlich seelenruhig abwarten, bis wir gelandet waren.
Ich mußte damit rechnen, festgenommen zu werden,
sobald ich die Maschine auf dem Vorfeld verließ.
Auch wenn ich nicht verhaftet wurde, war noch die Einreisekontrolle zu passieren. Die Beamten, die
unerwünschte Personen abweisen sollten, waren viel wacher und kritischer als ihre Kollegen, die der Form halber die Pässe von Ausreisenden kontrollierten. Sie sahen sich die Papiere wesentlich genauer an, achteten auf die Körpersprache der Ankommenden und lasen in ihrem Blick. Kelly und ich reisten mit einem gestohlenen Reisepaß. Daß wir damit auf dem Dulles International Airport durchgekommen waren, bedeutete nicht, daß uns das noch einmal gelingen würde.
Ich nahm weitere vier Tabletten und spülte sie mit Kaffee hinunter. Dann fiel mir ein, daß ich jetzt ein amerikanischer Staatsbürger war. Als eine Stewardeß mit den Formularen vorbeikam, ließ ich mir eine der Karten geben, die Ausländer vor der Einreise ausfüllen mußten.
509
Kelly wollte noch immer nicht aufwachen.
Beim Ausfüllen der Karte beschloß ich, die Sandborns seien gerade umgezogen und wohnten jetzt neben Mr.
und Mrs. Brown. Der Hunting Bear Parth war die einzige amerikanische Adresse, über die ich glaubwürdig reden konnte.
Falls ich bei der Einreisekontrolle verhaftet wurde, wäre das nicht das erste Mal gewesen. Einmal war ich bei der Rückkehr von einem Einsatz in Gatwick gelandet.
Während der Paßbeamte in meinem Reisepaß blätterte, traten zwei Männer links und rechts an mich heran, hielten mich an den Armen fest und ließen sich von dem Beamten meinen Paß geben. »Mr. Stamford? Special
Branch. Kommen Sie bitte mit.« Ich protestierte nicht einmal; meine Legende war stichhaltig, ich war wieder in England, hier konnte mir nichts passieren.
Nach einer Leibesvisitation in einem
Vernehmungsraum wurde ich mit Fragen bombardiert.
Ich hielt mich eisern an meine Legende: wo ich gewesen war, was ich dort gemacht hatte, warum ich es gemacht hatte. Sie riefen meine Tarnadresse an, und James bestätigte meine Darstellung. Alles schien bestens zu klappen.
Danach wurde ich in eine der Haftzellen auf dem
Flughafen gesteckt, und drei Polizeibeamte kamen
herein. Sie vergeudeten keine Zeit, sondern gingen wie Rugbystürmer auf mich los; abwechselnd hielten mich zwei an den Armen fest, während der dritte mich mit Boxhieben traktierte. Ohne ein Wort zu verlieren, machten sie mich ganz schön fertig.
510
Als nächstes wurde ich erneut verhört und beschuldigt, als Pädophiler in Thailand Kinder mißbraucht zu haben –
eine abwegige Beschuldigung, denn tatsächlich war ich von einem Einsatz in Rußland zurückgekommen. Gegen diesen Vorwurf konnte ich mich nicht wehren; ich konnte nur alles leugnen und darauf warten, daß die Firma mich hier rausholen würde.
Nach einem ungefähr vierstündigen Verhör saß ich
wieder in meiner Zelle, als zwei
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