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Nick Stone - 01 - Ferngesteuert

Nick Stone - 01 - Ferngesteuert

Titel: Nick Stone - 01 - Ferngesteuert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andy NcNab
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machte ein Gesicht, als ärgerte ich mich, weil es nicht meiner war, und beobachtete wieder die Tankstelle auf der anderen Straßenseite.
    Heutzutage haben die meisten Leute nicht mehr viel Geld in der Tasche, vor allem nicht hier im Land der Kreditkarte. Die idealen Opfer sind immer Touristen –
    sie haben meistens Bargeld und Reiseschecks bei sich –, aber in dieser Gegend würden keine unterwegs sein.
    In der vergangenen halben Stunde hatten ungefähr
    zehn Leute getankt, aber leider hatte keiner von ihnen ein dringendes Bedürfnis verspürt. Ich dachte an Kelly; ich konnte nur hoffen, daß sie sich an meine Anweisungen hielt.
    Dann fuhr ein Weißer, Anfang Zwanzig, mit einem
    neuen Camaro in die Tankstelle ein. Er trug einen sackartigen Overall in Rot, Blau, Grün, Orange und einem halben Dutzend weiterer Farben und dazu fast ebenso farbenprächtige Basketballstiefel. Sein Haar war an den Seiten abrasiert, während der Rest senkrecht nach oben stand. Aus dem Sound-System seines Sportwagens wummerten Bässe, die noch auf der anderen Straßenseite zu hören waren.
    Er tankte voll und ging hinein, um zu zahlen. Als er wieder herauskam, hielt er einen Holzklotz als
    Schlüsselanhänger in der Hand, mit dem er in Richtung Toilette ging. Damit war er mein Mann.
    Ich trat aus dem Wartehäuschen, schlug meinen
    Mantelkragen hoch und überquerte die Straße. Er steckte 158
    seine Geldbörse in die rechte Brusttasche seines Overalls und zog den Reißverschluß zu. Ich hatte mir die
    Überwachungskameras der Tankstelle bereits angesehen und wußte, daß ich von ihnen nichts zu befürchten hatte: Sie waren auf die Zapfsäulen gerichtet, um Kunden zu erfassen, die ohne zu zahlen wegfuhren, nicht auf die Giebelseite der Tankstelle, um Klopapierdiebe zu
    schnappen.
    Als ich das Wartehäuschen verließ und die Straße
    überquerte, war ich ein Mann, der dringend auf die Toilette mußte – selbst auf das Risiko hin, daß in dieser Zeit sein Bus wegfuhr. Daß einer der Wartenden auf mich achtete, war eher unwahrscheinlich; wer morgens auf den Bus wartete, machte sich Gedanken über den bevorstehenden Arbeitstag oder seine Hypothek, die Kids oder den plötzlichen Migräneanfall, den seine Frau gestern abend gehabt hatte. Kein Mensch würde auf einen Mann achten, der eine Straße überquerte, um auf die Toilette zu gehen. Ich steuerte zielsicher darauf zu und ging hinein.
    Der Raum war etwa dreieinhalb mal dreieinhalb Meter groß, ziemlich sauber und roch durchdringend nach irgendeinem Desinfektionsmittel. Vor mir hatte ich zwei Urinale, ein Waschbecken und einen an der Wand
    montierten Spender für Papierhandtücher. Mein Mann war rechts von mir in einer der beiden WC-Kabinen.
    Ich hörte, wie ein Reißverschluß aufgezogen wurde, dann raschelte Stoff, und ich hörte ein Hüsteln. Ich schloß die Tür hinter mir und rammte die beiden
    mitgebrachten Türstopper mit meinem Schuh darunter.
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    Jetzt konnte niemand gegen meinen Willen mehr rein oder raus.
    Ich stand an einem der Urinale und tat so, als würde ich es benutzen. Meine Hände befanden sich vor dem Körper, hielten aber den Stahlzylinder fest. Ich würde dem Mann den Rücken zukehren, bis er aus der Kabine kam.
    So blieb ich drei bis vier Minuten lang stehen. Ich hörte ihn pissen, dann war nichts mehr zu hören. Ich drehte meinen Kopf nach rechts und tat so, als sähe ich zu dem vergitterten kleinen Fenster hinaus – für den Fall, daß er mich sah, aber aus irgendeinem Grund nicht herauskommen wollte.
    Als ich mich dann beiläufig umdrehte, sah ich etwas wirklich Merkwürdiges. Öffentliche amerikanische
    Toiletten haben Saloon-Türen, deren Lücken oben und unten größer sind als in Europa. Durch die untere Lücke sah ich seinen rechten Fuß auf dem Boden stehen, aber sein Overall war wider Erwarten nicht bis zu den
    Knöcheln heruntergerutscht. Merkwürdige Haltung, fand ich, aber das war schließlich seine Sache. Dann fiel mir auf, daß die Kabinentür einen Spalt weit offenstand. Er hatte sie nicht verriegelt.
    Ich hatte nicht vor, hier draußen zu stehen und mir lange Gedanken darüber zu machen. Ich hielt den
    Stahlzylinder mit der rechten Hand umklammert, hob den linken Arm, um mich zu schützen, und war mit wenigen lautlosen Schritten an der Tür. Im letzten Augenblick holte ich tief Luft, senkte die linke Schulter und stieß die Tür auf.
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    Er knallte an die Kabinenwand und kreischte: »Was soll der Scheiß? Was soll der Scheiß?« Dabei streckte er

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