Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
beide Hände aus, um sich abzustützen, und die
Kabinentür ging nicht auf, weil er sein Gesäß
dagegenstemmte.
Ich mußte mich nochmals gegen die Tür werfen. Das Geheimnis eines erfolgreichen Raubüberfalls besteht darin, schnell und hart zuzuschlagen. Indem ich mein ganzes Gewicht in diesen zweiten Rammstoß legte,
klemmte ich ihn zwischen Tür und Wand ein. Er war ein großer, muskulöser Kerl; ich mußte aufpassen, daß er sich nicht von seiner Überraschung erholte und mich überwältigte. Ich faßte mit der linken Hand in seine Gelfrisur, zerrte seinen Kopf nach links und holte dabei mit der rechten Hand aus.
Man benutzt nicht nur seine Armmuskeln, um
jemanden niederzuschlagen. Wie ein Boxer, der Hüften und Oberkörper einsetzt, um seinem Schlag Wucht zu verleihen, brauchte ich möglichst viel Schwung, wenn ich mit dem Stahlzylinder zuschlug. Während ich die Tür mit dem linken Ellbogen offenhielt, riß ich den
Stahlzylinder hoch, verdrehte meinen Oberkörper, als wollte ich einen rechten Haken schlagen, und traf ihn dicht unter dem Ohr. Ich wollte ihn nur kampfunfähig machen, nicht umbringen oder mit einem bleibenden Gehirnschaden zurücklassen; hätte ich das gewollt, hätte ich mehrmals zugeschlagen. Auch so würde er diesen Tag in schlechter Erinnerung behalten, aber er hatte einfach Pech gehabt – er war zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
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Mein Schlag hatte gesessen. Der Kerl brach stöhnend zusammen. Ich konnte mir vorstellen, daß er sich in seiner Benommenheit am liebsten zusammengerollt hätte und unter die Kloschüssel gekrochen wäre, um sich zu verstecken. Deshalb hatte ich den Stahlzylinder statt einer Schußwaffe gewählt. Man weiß nie, wie Leute auf eine Pistole reagieren. Er hätte ein verdeckter Ermittler, der selbst bewaffnet war, oder ein ungewöhnlich mutiger Normalbürger sein können. Jedenfalls sind die alten Methoden immer noch die besten.
Er war mit dem Kopf an die Kloschüssel geknallt und hatte sich das Nasenbein gebrochen. Blut lief ihm in Strömen übers Kinn, und aus seiner Kehle drang ein hohes, kindliches Wimmern. Er befand sich in einer beschissenen Verfassung, aber er würde mit dem Leben davonkommen. Ich schlug nochmals zu, damit er unten blieb und nicht so schnell wieder aufwachte. Das
Wimmern verstummte.
Ich legte meine linke Hand auf seinen Kopf und drehte ihn von mir weg, weil ich nicht wollte, daß er mich später identifizieren konnte. Mit der rechten Hand griff ich unter seinem Bauch hindurch, zog den Overall zu mir her, öffnete den Reißverschluß und angelte seine
Geldbörse heraus. Dann tastete ich die übrigen Taschen für den Fall ab, daß er irgendwo ein loses Bündel Geldscheine stecken hatte. Meine Finger ertasteten einen Plastikbeutel, der meine Hand ausfüllte. Ich zog ihn heraus und sah, daß er genügend weißes Pulver enthielt, um das gesamte Wohnviertel, in dem dieser Kerl lebte, high zu machen – alles in sauberen kleinen
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Plastikbriefchen verkaufsfertig abgepackt. Damit konnte ich nichts anfangen; ich ließ den Beutel auf den Boden fallen.
Jetzt sah ich auch, was er hier gemacht hatte, während ich am Urinal gestanden hatte. Um seinen linken Arm hatte er einen fest zusammengedrehten dünnen
Gummischlauch, und aus einem Einstich in der
Armbeuge quoll etwas Blut. Er mußte seinen linken Fuß auf die Kloschüssel gestellt haben, um seinen Arm aufstützen zu können, während er sich einen Schuß setzte. Auf dem gefliesten Boden sah ich eine
aufgezogene Spritze liegen.
Ich hob den daneben hingefallenen Toilettenschlüssel auf. Der Kerl schien sich etwas erholt zu haben und begann wieder zu wimmern und zu stöhnen. Ich schlug seinen Kopf mehrmals gegen die Kloschüssel, damit er begriff, daß er für die nächste Zeit bleiben sollte, wo er war.
Ich trat rückwärts aus der Kabine und überzeugte mich mit einem raschen Blick davon, daß ich keine
Blutflecken auf dem Mantel hatte. Dann zog ich die Türstopper heraus, steckte sie ein, verließ die Toilette und sperrte die Tür hinter mir ab. Den Schlüssel warf ich in die Hecke zum Nachbargrundstück.
Ich war außer Atem und fühlte, daß mir dicke
Schweißtropfen übers Gesicht liefen, aber ich mußte äußerlich ruhig und gelassen wirken. Falls irgendein anderer Tankkunde um die Ecke kam, weil er auf die Toilette gehen wollte, würde ich behaupten, sie sei außer Betrieb.
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Als ich die Straße überquerte, sah ich nach links und hinter mich. Nichts. Ich würde
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