Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
nickte, forderte ich sie auf: »Okay, dann zeig mir, wie’s gemacht wird.« Sie drückte auf die Tasten und beobachtete dabei ihre Finger.
»Eins-neun-neun-null?« fragte ich.
»Mein Geburtsjahr«, sagte sie mit strahlendem
Lächeln und bürstete weiter ihre Haare.
Nun waren wir im Geschäft. Ich holte die Gelben
Seiten aus der Schreibtischschublade und setzte mich damit auf die Bettkante.
»Was suchst du?« fragte Kelly, während sie
gleichmäßig weiterbürstete.
»Ein Restaurant, das ›Good Fellas‹ heißt«, antwortete ich. Ich fand die Adresse. »Wir fahren dorthin und suchen Pat.«
Ich überlegte, ob ich das Restaurant anrufen und nach ihm fragen sollte, aber am Telefon würde ich bestimmt nur abgewimmelt werden. Außerdem konnte der Anruf eine Kette von Ereignissen auslösen, von denen ich nichts wußte, bis wir beide geschnappt wurden. Es war besser, selbst hinzufahren.
Sie kicherte, als ich meine Brille aufsetzte. Ich nahm ihren Mantel vom Bügel und half ihr hinein. Als sie sich dann umdrehte, sah ich, daß an ihren Jeans noch das Etikett hing. Ich riß es ab und überzeugte mich davon, 170
daß sonst alles in Ordnung war – wie irgendein
altmodischer Vater, der mit seiner Tochter in die Stadt fahren will.
Ich zog meine Jacke an, kontrollierte, ob ich Magazine und Mobiltelefon eingesteckt hatte, und fragte Kelly:
»Erinnerst du dich an Pat?«
»Nein. Wer ist sie?«
»Nicht sie, sondern ein Mann namens Patrick. Hat er Daddy vielleicht mal besucht?«
»Bringt Pat mich nach Hause?«
»Du darfst bald wieder heim, Kelly. Aber erst, wenn’s Daddy wieder bessergeht und du ein braves Mädchen bist und tust, was ich dir sage.«
Sie machte ein langes Gesicht. »Bin ich bis Samstag wieder zu Hause? Da gibt Melissa ihre Party, und wir übernachten alle bei ihr, und ich muß unbedingt dasein.«
Ich redete einfach weiter. Mir blieb nichts anderes übrig. Ich war außerstande, Kelly abzulenken und auf andere Gedanken zu bringen.
»Pat hat euch bestimmt mal besucht. Du erinnerst dich doch an Pat?«
»Und ich muß noch ein Geschenk für sie kaufen. Ich habe ein paar Freundschaftsarmbänder für sie geflochten, aber ich will ihr noch etwas kaufen.«
»Nun, wir versuchen heute, Pat zu finden, weil er uns helfen soll, dich heimzubringen. Vielleicht haben wir auch noch Zeit für deine Einkäufe, okay?«
»Wo ist Pat?«
»Ich glaube, daß er vielleicht in dem Restaurant ist.
Aber solange wir dort sind, mußt du ganz still sein und 171
darfst mit keinem Menschen reden. Spricht jemand dich an, nickst du nur oder schüttelst den Kopf, okay? Wir müssen wirklich vorsichtig sein, sonst erzählen sie uns nicht, wo Pat ist, und wir bekommen womöglich
Schwierigkeiten.«
Ich wußte, daß ich mich darauf verlassen konnte, daß Kelly den Mund halten würde. Sie hatte sich exakt an meine Anweisungen gehalten, als ich sie unter den Pappkartons zurückgelassen hatte. Ich hatte ein
schlechtes Gewissen, wenn ich behauptete, sie könne bald wieder heim, aber mir fiel kein besseres Mittel ein, sie dazu zu bringen, alles zu tun, was ich sagte. Aber mit etwas Glück würde ich nicht dabeisein, wenn sie
schließlich die Wahrheit erfuhr.
Bevor wir das Zimmer verließen, hatte ich noch einige Vorsichtsmaßnahmen zu treffen. Ich griff nach dem linken unteren Zipfel meiner Bettdecke und schlug ihn genau diagonal zurück. Dann riß ich ein Streichholz aus dem Zündholzbriefchen, das ich an der Rezeption
mitgenommen hatte, und klemmte es zwischen die Wand und die lange Kommode, auf der unser Fernseher stand.
Ich markierte eine Stelle an der Wand mit einem
winzigen Kugelschreiberpunkt und bedeckte sie mit dem Streichholzkopf. Zuletzt legte ich die Büroklammer in eine der Schubladen unter dem Fernseher und drehte das Gerät ein kleines bißchen lauter.
Dann überzeugte ich mich mit einem kurzen Blick in die Runde davon, daß nichts Kompromittierendes
liegengeblieben war; ich legte sogar die Gelben Seiten in die Schreibtischschublade zurück. Meine Pistole lag noch 172
immer im Spülkasten, aber dort war sie vorläufig sicher, denn das Zimmermädchen hatte keinen Grund, hier
hereinzukommen – und ein Polizeibeamter mit einem Durchsuchungsbefehl erst recht nicht.
Ich steckte zwei Äpfel und ein paar Schokoriegel in die Tasche des blauen dreiviertellangen Mantels, den ich für mich gekauft hatte. Dann schloß ich ab, überzeugte mich davon, daß das Schild an der Tür hing, und nahm Kelly an der Hand.
Wir
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