Nick Stone - 01 - Ferngesteuert
kannst dich bestimmt selbst abtrocknen.« Ich nahm die neue Haarbürste aus dem Waschbeutel. »Wenn du fertig bist, bürstest du dir die Haare und siehst zu, daß du trocken und angezogen bist, bis ich zurückkomme. Vielleicht müssen wir später weg. Aber du machst niemandem die Tür auf, okay?«
Kelly gab keine Antwort. Ich zog den Telefonstecker raus und ging.
Während ich über den Parkplatz ging, hatte ich ein verdammt flaues Gefühl im Magen. Ich hatte nichts verbrochen - weshalb wurde ich also abgeschnitten? Wollte die Firma mich aufs Kreuz legen? Ich überlegte mir, was für verschiedene Möglichkeiten es in diesem Fall gab. Hielten sie etwa mich für den Mörder? Kappten sie jetzt alle Verbindungen zu mir, um anschließend alles leugnen zu können?
Ich betrat die Telefonzelle, wählte und wurde wie zuvor getrennt. Ich hängte langsam den Hörer ein. Dann setzte ich mich auf die zur Hoteleinfahrt gehörende niedrige Mauer, denn ich mußte jetzt angestrengt nachdenken. Ich brauchte nicht lange, um zu erkennen, daß mir nur noch eine Möglichkeit blieb: Ich mußte die Botschaft anrufen. Damit verstieß ich gegen sämtliche Vorschriften, so daß ich mir nicht einmal die Mühe zu machen brauchte, mich an die üblichen Verfahrensregeln zu halten. Ich wählte die 411, ließ mir von der Auskunft die Nummer geben und tippte sie ein.
»Britische Botschaft, guten Tag. Was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte den VOSO sprechen.«
»Wie bitte?«
»VOSO -Verbindungsoffizier für Special Operations.«
»Tut mir leid, hier gibt es keine Nebenstelle mit dieser Bezeichnung.«
»Sagen Sie Ihrem Militärattache, daß jemand anruft, der den VOSO sprechen möchte. Die Sache ist wirklich
wichtig. Ich muß ihn sofort sprechen.«
»Augenblick, bitte.« Ein Klicken, dann war ein Streichquartett zu hören. Ich hörte zu und wartete, während meine Telefonkarte sich aufbrauchte.
Dann meldete sich eine andere Frauenstimme. »Guten Tag, was kann ich für Sie tun?«
»Ich möchte den VOSO sprechen.«
»Tut mir leid, aber diese Funktion gibt es bei uns nicht.«
»Dann verbinden Sie mich mit dem MA.«
»Der Militärattache ist leider nicht im Haus. Kann ich Ihnen vielleicht behilflich sein? Möchten Sie mir Ihren Namen und eine Telefonnummer geben, unter der Sie erreichbar sind?«
»Hören Sie, ich habe folgende Mitteilung für Sie«, sagte ich. »Der VOSO oder der MA sollen sie weitergeben. Ich habe mehrmals versucht, mit meiner PIN anzurufen. Meine PIN lautet zwo-vier-zwo-zwo, und am anderen Ende wird jedesmal aufgelegt. Ich sitze wirklich in der Klemme und brauche dringend Hilfe. Bestellen Sie dem VOSO oder dem MA, daß ich auspacken werde, was ich in meinem Sicherheitspaket habe, wenn sie nicht sofort mit London Verbindung aufnehmen. Ich rufe London in drei Stunden noch mal an.«
»Entschuldigung, könnten Sie das bitte wiederholen?« fragte die Frau.
»Nein - Sie haben diesen Anruf aufgezeichnet, und ich weiß, daß meine Mitteilung verstanden werden wird. Sie brauchen Sie nur an den VOSO oder den MA weiterzuleiten. Wer von den beiden sie bekommt, ist mir scheißegal. Sagen Sie ihnen, daß ich London in drei Stunden anrufen und meine PIN nennen werde.«
Ich hängte den Hörer ein. Meine Nachricht würde den Empfänger erreichen. Wahrscheinlich hatten der VOSO oder der MA ohnehin mitgehört.
Manche Unternehmungen, an denen ich beteiligt gewesen war, waren so schmutzig, daß niemand wollen würde, daß sie aufgedeckt wurden. Andererseits bedeutete das natürlich auch, daß jemand wie ich entbehrlich war, falls etwas einmal nicht so gut klappte. Mein Prinzip war immer gewesen: Wer als
Geheimdienstmann an zweifelhaften Unternehmen beteiligt war und nicht für den Tag vorsorgte, an dem sie beschlossen, einen abzuschießen, hatte nichts anderes verdient. Die Zentrale wußte, daß jeder K ein Sicherheitspaket hatte, aber alle leugneten diese Tatsache - die Betreffenden ebenso wie der SIS. Meiner Überzeugung nach wendete der SIS für seine Suche nach unseren Unterlagen, mit denen er erpreßt werden konnte, ebensoviel Mühe auf wie für seine sonstigen Unternehmen.
Mit meinem Anruf hatte ich eine unwiderrufliche Entscheidung getroffen. Diese Karte konnte ich nur einmal ausspielen. Mein zukünftiges Leben würde nie wieder unbeschwert sein. Ich war meinen Job bei der Firma los und würde den Rest meines Lebens vermutlich in einem abgelegenen Bergdorf in Sri Lanka verbringen - ständig in Angst vor bezahlten
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